Wohnraum-Dilemma
Senioren beanspruchen den meisten Platz in Deutschland
Wohnraum ist in Deutschland ungleich verteilt. Während die einen im Schnitt auf knapp 45 Quadratmetern leben, essen, kochen, arbeiten, entspannen oder schlafen, wohnt ein beträchtlicher Teil besonders der älteren Menschen auf deutlich größerer Fläche. 27 Prozent der alleinlebenden über 65-Jährigen wohnt sogar auf 100 Quadratmetern oder mehr.
In Deutschland gibt es bei der Wohnraumgröße eklatante Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Zahlen des Statistischen Bundesamtes machen deutlich, dass ältere Menschen im Durchschnitt viel mehr Wohnraum pro Person zur Verfügung haben als jüngere. Zum Beispiel hatten Haushalte, deren Haupteinkommensbezieher mindestens 65 Jahre alt waren, im Jahr 2022 durchschnittlich 69 Quadratmeter Wohnfläche pro Person, während es bei den 45- bis 64-Jährigen nur 55 Quadratmeter waren. Die jüngsten Altersgruppen, insbesondere die Haushalte von 25- bis 44-Jährigen, hatten mit 45 Quadratmetern pro Person die geringste Wohnfläche zur Verfügung.
Natürlich hängt die verfügbare Wohnfläche stark von der Haushaltsgröße ab. Alleinlebende verfügen im Schnitt über mehr Wohnraum als Haushalte mit mehreren Personen. Interessanterweise zeigen sich aber auch Unterschiede beim Vergleich der Eigentumsverhältnisse. Zum Beispiel haben ältere Menschen in Eigentümerhaushalten im Mittel 28 Prozent mehr Wohnraum als die nächstjüngere Altersgruppe, während der Unterschied bei Mieterhaushalten mit 20 Prozent deutlich geringer ausfällt. Aber das sind nicht die einzigen Gründe für die offensichtlichen Unterschiede beim Platz.
Längerer Wohnsitz, größerer Wohnraum
Ein weiterer Faktor, der die Wohnraumgröße beeinflusst, ist die Wohndauer. Haushalte, die seit längerer Zeit in ihrer Wohnung leben, haben tendenziell mehr Wohnraum zur Verfügung als häufig wechselnde Eigentümer oder Mieter. Ein wesentlicher Grund dafür liegt auf der Hand: Mit jedem Wohnungswechsel geht auch immer eine Anpassung des Bedarfs einher. Niemand zieht freiwillig in ein zu großes Haus, das auch gepflegt, geputzt, beheizt und instand gehalten werden muss. Und sind die Kinder erst aus dem Haus, geht der Bedarf an Quadratmetern tendenziell schlagartig zurück.
Demgegenüber wird das besonders lange Wohnenbleiben durch andere monetäre Anreize verstärkt. Eigentümer haben ihre Immobilie in der Regel irgendwann abbezahlt, treue Mieter profitieren von Altmietverträgen, die Wohnkosten sind in beiden Fällen minimal. Irgendwann ist der Umzug ein reines Verlustgeschäft, das freiwillig keiner eingehen mag. Über 60% der Haushalte in der Altersgruppe 65+ leben bereits seit mehr als 23 Jahren in ihrer aktuellen Wohnung. Dies gilt insbesondere für Eigentümerhaushalte, während Mieterhaushalte eher dazu neigen, in höherem Alter umzuziehen.
Wohnungsknappheit als Ursache und Folge
Diese Entwicklung ist auf dem derzeit immer enger werdenden Wohnungsmarkt fatal. So suchen junge Familien händeringend nach größeren Wohnungen, allein lebende Senioren nach kleineren Wohnungen zum angemessenen Preis. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Wohnungstauschbörsen scheitern oft an der Praktikabilität und den Mietaufschlägen, die mit einem Wohnungstausch zwangsläufig einhergehen. Andererseits hält der Mieterschutz die Leute über Jahrzehnte im Bestand. Erst durch steigende Energiepreise oder zwingend notwendige Sanierungsmaßnahmen kommt Bewegung in den Markt.
Die Daten zeigen aber auch, dass Wohnraum nicht nur eine Frage des Alters, sondern auch der Haushaltsgröße und der Eigentumsverhältnisse ist. Während der Wohnungswechsel generell mit zunehmendem Alter stagniert, ist die Ungleichverteilung des Wohnraums bei Mietern messbar weniger groß als bei Eigentümern. Wie dieses Problem für alle Beteiligten gleichermaßen gelöst werden kann, steht in den Sternen.