Chronische Schmerzen: Therapiemöglichkeiten im Überblick

Chronische Schmerzen sind Schmerzen, die länger als drei bis sechs Monate anhalten. Sie schränken oft die körperliche Beweglichkeit ein und können das Wohlbefinden, die Stimmung und das Denken negativ beeinflussen.
Um die Lebensqualität möglichst wiederherzustellen und um negative Folgen zu vermeiden, gibt es zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten. Oft werden für optimale Erfolge mehrere Therapieansätze kombiniert (multimodale Schmerztherapie). Wir stellen die wichtigsten hier vor.
Wie werden chronische Schmerzen behandelt?
Chronische Schmerzen gründen in der Regel auf einem Zusammenspiel sehr verschiedener Einflussfaktoren. Veranschaulicht ist dies im bio-psycho-sozialen Modell bei chronischem Schmerz, wie es unter anderem die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. erläutert.
Psychische Faktoren wie das Gefühl von Hilflosigkeit, Ängste, Ärger oder Niedergeschlagenheit können die Entwicklung chronischer Schmerzen ebenso begünstigen wie soziale Umstände im familiären oder beruflichen Bereich. Stress, Konflikte, Ausgrenzung und Rückzug aus dem sozialen Umfeld führen dazu, dass Schmerzen eher zu einem chronischen Krankheitsbild werden können.
Multimodale Behandlung für chronische Schmerzen
Aufgrund der unterschiedlichen Einflüsse empfiehlt es sich, chronische Schmerzen mit einem multimodalen Ansatz zu behandeln. Dabei werden Psycho-, Physio- und Ergotherapie miteinander verbunden. Am besten ist die Behandlung durch einen Experten für Schmerztherapie, die mit einer sozialmedizinischen Beratung begleitet wird.
Grundsätzlich lassen sich bei der Behandlung nicht medikamentöse und medikamentöse Therapiemöglichkeiten unterscheiden.
Nicht medikamentöse Behandlungsmethoden gegen chronische Schmerzen
Die Therapien ohne Einsatz von Medikamenten umfassen ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Sie zielen beispielsweise darauf ab, das Verhalten im Alltag zu ändern, um den Schmerzen besser begegnen zu können oder Risikofaktoren zu minimieren.
Bei chronischen Schmerzen verändert sich häufig die Schmerzverarbeitung im Gehirn. Die Nervenzellen „lernen“, dauerhaft Schmerzsignale zu senden, auch wenn die ursprüngliche Ursache längst abgeklungen ist. Dieses sogenannte Schmerzgedächtnis kann dazu führen, dass Betroffene dauerhaft Schmerzen spüren – obwohl keine akute körperliche Schädigung mehr vorliegt.
Deshalb ist es so wichtig, nicht nur den Körper, sondern auch die psychischen und kognitiven Aspekte des Schmerzes zu berücksichtigen. Eine ganzheitliche Therapie sollte immer auch das individuelle Schmerzempfinden mit einbeziehen – denn nur so lässt sich langfristig eine echte Linderung erreichen.
Verhaltenstherapeutische Beratung
Diese Unterstützung kann Menschen mit chronischen Schmerzen helfen, besser mit ihrer Situation umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Betroffene lernen, wie sie ihre Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen so verändern können, dass sie den Schmerz weniger stark wahrnehmen oder besser damit umgehen. Dabei steht nicht im Vordergrund, den Schmerz direkt zu bekämpfen, sondern die Art und Weise, wie man auf den Schmerz reagiert.
Der Ansatz der Verhaltenstherapie basiert darauf, dass unsere Gedanken und Handlungen einen großen Einfluss darauf haben, wie wir Schmerzen empfinden. Negative Gedanken wie „Ich schaffe das nie“ oder „Ich werde immer leiden“ können den Schmerz verstärken und dazu führen, dass Patienten sich noch schlechter fühlen. In den verhaltenstherapeutischen Sitzungen lernt man, diese negativen Denkmuster zu erkennen und durch positivere und realistischere Gedanken zu ersetzen. So können Betroffene lernen, den Schmerz als Teil ihres Lebens zu akzeptieren, ohne dass dieser die gesamte Lebensqualität bestimmt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Erlernen von Entspannungs- und Achtsamkeitstechniken. Diese Methoden helfen dabei, die Spannung im Körper zu reduzieren, was oft zu einer Linderung der Schmerzen führt. Techniken wie progressive Muskelentspannung, Atemübungen oder auch Meditation können dabei unterstützen, den Alltag trotz chronischer Schmerzen besser zu meistern. Zusätzlich werden oft praktische Strategien besprochen, wie sich stressige Situationen vermeiden oder besser bewältigen lassen, da Stress häufig als Schmerzverstärker wirkt.
Verhaltenstherapeutische Beratungen bieten zudem einen sicheren Raum, in dem Betroffene ihre Sorgen und Ängste offen ansprechen können. Dies hilft, ein Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen und die Isolation zu überwinden, die viele Menschen mit chronischen Schmerzen erleben.
Physiotherapeutische Behandlung
Mit Hilfe von mehr körperlicher Aktivität und Bewegungsübungen lassen sich Körperfunktionen verbessern und die Schmerzen verringern. Ziel ist es, die Beweglichkeit zu fördern, Muskelverspannungen zu lösen und so das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
Die individuelle Therapie basiert auf der jeweiligen Diagnostik und wird passgenau auf die betroffenen Körperbereiche und auftretenden Schmerzen zugeschnitten. Häufig eingesetzte Therapie-Techniken sind dabei die manuelle Therapie, Bewegungstherapie und spezielle Übungen:
- Bei der manuellen Therapie nutzt der Therapeut seine Hände, um Verspannungen zu lösen, die Beweglichkeit der Gelenke zu verbessern und Schmerzen zu reduzieren.
- Die Bewegungstherapie besteht aus gezielten Übungen, die dabei helfen, die Muskulatur zu stärken und die Koordination zu verbessern.
- Diese Übungen können sowohl im Behandlungsraum als auch zu Hause durchgeführt werden, um den Therapieerfolg nachhaltig zu sichern.
Ein wichtiger Aspekt ist gerade die Schulung des Patienten im Bereich Selbstmanagement. Patienten lernen, wie sie durch gezielte Dehnübungen und Entspannungstechniken ihre Schmerzen besser kontrollieren können. Auch der richtige Umgang mit alltäglichen Belastungen wird vermittelt, um erneute Schmerzepisoden zu vermeiden.
Weitere unterstützende Therapiemöglichkeiten
Die physiotherapeutische Behandlung kann zusätzlich unterstützende Maßnahmen wie Wärmetherapie oder Elektrotherapie umfassen. Wärmeanwendungen entspannen die Muskulatur und fördern die Durchblutung, während Elektrotherapie Impulse an die Nerven sendet, die den Schmerz signifikant lindern können.
Falls Übergewicht ein Faktor bei der Schmerzentstehung ist, bietet sich eine Ernährungsberatung an, um Gewicht zu verlieren.
Andere nicht medikamentöse Behandlungsmethoden zielen direkt auf die Schmerzwahrnehmung. Akupunktur beispielsweise ist bei lokal auftretenden Schmerzen ebenso denkbar wie bei Schmerzen im gesamten Körper.
Bei einer peripheren Nervenstimulation wiederum werden leichte elektrische Impulse eingesetzt, um die Schmerzwahrnehmung zu verringern. Es ist sogar möglich, die Stimulation dauerhaft aufrechtzuerhalten. Dazu ist jedoch ein kleinerer operativer Eingriff notwendig.

Akupunktur gehört zu den gängigen Therapiemöglichkeiten gegen chronische Schmerzen, für die keine Medikamente verabreicht werden müssen. | © vadimborkin – stock.adobe.com
Verwendung von Hilfsmitteln
Hilfsmittel wie Gehhilfen, Schienen oder orthopädischen Schuhe erleichtern alltägliche Handlungen und tragen gleichzeitig zur Schmerzlinderung bei. Gleichzeitig bieten sie oft eine wichtige Unterstützung für Pfleger bei der Betreuung der Betroffenen:
- Orthopädische Einlagen oder spezielle Schuhe können helfen, Fehlbelastungen zu korrigieren und dadurch Schmerzen in Füßen, Knien oder Hüften zu verringern.
- Ergonomische Sitzmöbel und Matratzen sind weitere Hilfsmittel, die dafür sorgen, dass der Körper in einer optimalen Haltung unterstützt wird. Dies kann insbesondere für Menschen, die viel sitzen oder liegen müssen, einen großen Unterschied machen.
- Auch Gehhilfen wie Rollatoren oder Gehstöcke sowie Treppenlifte sind wichtige Hilfsmittel, die dafür sorgen, die Mobilität zu erhalten und das Risiko von Stürzen zu senken. Sie entlasten die Gelenke und ermöglichen es den Betroffenen, sich sicherer und unabhängiger zu bewegen.
- Weitere technische Geräte wie elektrische Sitzhilfen, höhenverstellbare Betten oder spezielle Pflegebetten helfen, die Belastung im Alltag zu reduzieren. Diese Geräte sind darauf ausgelegt, den Patienten oder pflegenden Angehörigen den Umgang mit alltäglichen Herausforderungen zu erleichtern und die Selbstständigkeit zu fördern.

Arthrose ist meist mit chronischen Schmerzen verbunden. Hilfsmittel wie Schienen oder Bandagen können hier zur Schmerzlinderung eingesetzt werden. | © luciano – stock.adobe.com
Medikamentöse Behandlungsmethoden gegen chronische Schmerzen
Die Verabreichung von Medikamenten ist als alleiniger Therapieansatz nicht geeignet, trotzdem wirken Schmerz- und andere Arzneimittel zumindest kurz- bis mittelfristig unterstützend bei der Behandlung. Die Einnahme sollte immer nur über einen begrenzten Zeitraum erfolgen.
Zur medikamentösen Behandlung werden unter anderem folgende Arzneimittel genutzt:
- Örtliche Betäubungsmittel werden mit Spritze an den betreffenden Stellen verabreicht, alternativ kommen entzündungshemmende Salben oder Gels zur Anwendung.
- Antidepressiva werden manchmal ohne entsprechende Diagnose gegeben, da die Wirkung auch die Schmerzempfindung einschließt. Es ist allerdings möglich, dass dies bei den Patienten erst nach einigen Wochen spürbar wird.
- Medikamente gegen Epilepsie werden verabreicht, wenn die Schmerzen durch eine Schädigung der Nerven entstehen.
- Muskelentspannende Medikamente können eingesetzt werden, wenn es zu Schmerzen durch Muskelverkrampfungen kommt.
Bei antientzündlichen, nicht steroidalen Antirheumatika wie Ibuprofen oder Paracetamol ist der Einsatz nur sinnvoll, wenn die Schmerzsymptome akut auftreten. Hier ist außerdem zu beachten, dass Patienten auf die verschiedenen Medikamente unterschiedlich gut ansprechen. Starke Schmerzmittel oder Medikamente zur Beeinflussung der Schmerzverarbeitung im Gehirn sind nur für die kurzfristige Einnahme geeignet.
In jedem Fall sollte die Behandlung mit Medikamenten nur unter ärztlicher Anleitung und Kontrolle erfolgen. Lassen Sie sich deshalb unbedingt von Ihrem behandelnden Arzt beraten.
Behandlung mit Schmerzmitteln: Risiken im Blick behalten
Bei einer Einnahme über einen längeren Zeitraum hinweg verlieren Schmerzmittel ihre Wirkung, während andere gesundheitliche Risiken und Nebenwirkungen wahrscheinlicher werden.
Das zentrale Problem ist die sogenannte Toleranzentwicklung. Das bedeutet: Der Körper gewöhnt sich mit der Zeit an die Wirkung eines Medikaments. Um den gleichen schmerzlindernden Effekt zu erzielen, sind dann höhere Dosen notwendig. Das kann langfristig nicht nur zu stärkeren Nebenwirkungen führen, sondern auch die Leber, die Nieren oder den Magen-Darm-Trakt belasten.
Ein weiteres Risiko ist die Suchtgefahr – insbesondere bei stark wirkenden Schmerzmitteln wie Opioiden. Diese Medikamente greifen in das zentrale Nervensystem ein und können bei längerer Einnahme eine Abhängigkeit verursachen. Das Risiko ist besonders hoch, wenn keine regelmäßige ärztliche Kontrolle erfolgt oder die Mittel über einen langen Zeitraum eingenommen werden. Neben der körperlichen Abhängigkeit kann auch eine psychische Abhängigkeit entstehen: Manche Menschen greifen dann reflexartig zur Tablette, sobald Schmerzen auftreten, ohne nach alternativen Methoden zu suchen.
Deshalb gilt: Schmerzmittel sollten bei chronischen Schmerzen immer nur Teil eines umfassenden Therapieplans sein – nicht die einzige Lösung. Eine sorgfältige ärztliche Begleitung ist wichtig, um Dosierung, Wirkstoffauswahl und Dauer der Anwendung individuell anzupassen. Gerade für ältere Menschen und pflegende Angehörige ist es entscheidend, gut informiert zu sein und gemeinsam mit Fachpersonen eine sichere Behandlungsstrategie zu entwickeln.
Chronische Schmerzen ernst nehmen
Im Alltag sind chronische Schmerzen eine große Belastung, wenn sie nicht ausreichend behandelt werden. Betroffene sollten sich daher nicht scheuen, alle Hilfe in Anspruch zu nehmen, die für eine umfassende Behandlung sinnvoll und notwendig ist. Auf diese Weise lernen Patienten auch, wie sie selbst die Schmerzen beeinflussen und vielleicht sogar kontrollieren können.
Der regelmäßige Kontakt zu Ärzten, Therapeuten sowie Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen ist ebenfalls eine wichtige Unterstützung. Dadurch erhalten Betroffene nicht nur die notwendige medizinische Betreuung, sondern auch wertvollen Beistand für mögliche soziale Probleme. Schließlich leiden Schmerzpatienten häufig darunter, dass ihre Erkrankung für andere Menschen nicht sichtbar ist.
Lesen Sie auch Teil 1
Teil 1 – Chronische Schmerzen – Ursachen, Unterschiede, Symptome und Anamnese