Entscheidung häusliche Pflege
Was Angehörige im Vorfeld beachten müssen
Angehörige, die Familienmitglieder in Eigenregie pflegen möchten, stehen vor einem kaum zu überblickenden Aufgabenfeld und Belastungen, die nur zum Teil die eigentliche Pflege betreffen. Unser kleiner Leitfaden hilft, wesentliche Faktoren, die für oder gegen die häuslichen Pflege sprechen, bewusst zu machen und unterstützt Sie so bei der Entscheidungsfindung. Je genauer Sie sich über die eigenen Grenzen im Klaren sind, desto besser werden Sie im Falle einer Entscheidung für die häusliche Pflege auch mit Krisen umgehen können.
Laut einer Hochrechnung der Techniker Krankenkasse werden sieben von zehn pflegebedürftigen Versicherten zu Hause betreut. Bei 65 Prozent von ihnen wird die Pflege vollständig durch Angehörige geleistet – sie erhalten ausschließlich Pflegegeld, also keine Leistungen für den Einsatz eines gewerblichen Pflegedienstes. Damit sind Angehörige immer noch der größte Pflegedienst Deutschlands. Am häufigsten kümmern sich Töchter und Schwiegertöchter um pflegebedürftige Angehörige von denen über ein Drittel keinerlei Zeit hatte, in die pflegerischen Aufgaben hineinzuwachsen.
Oft werden Menschen kurzfristig zum Pflegefall, der Handlungsbedarf ist dringend. Dabei sind sich hilfsbereit einspringende Angehörige selten über die mögliche Dauer und die Konsequenzen für die eigene Lebenssituation im Klaren. Um so wichtiger ist es, sich von Vornherein die eigenen Ziele, Bedürfnisse und Belastungsgrenzen bewusst zu machen und sich ehrliche Antworten auf folgende Fragen zu geben.
1. Wie steht es um Ihre persönliche Motivation?
- Warum wollen Sie die Pflege übernehmen? Ist es Ihre freie Entscheidung oder handeln Sie vor allem aus Pflicht- und Mitgefühl?
- In welcher Beziehung stehen Sie zur Pflegeperson? Werden von ihr Erwartungen an Sie gestellt oder möchten Sie einfach aus Dankbarkeit etwas zurückgeben?
- Spielen finanzielle Gründe eine Rolle oder die Suche nach einer Lebensaufgabe und einem tieferen Sinn?
- Welche Rolle spielen überlieferte Werte der Familie, Tradition und Religion?
- Gibt es Dinge, auf die Sie sich in Anbetracht der kommenden Herausforderung freuen?
- Was bereitet Ihnen Sorgen oder macht Ihnen gar Angst?
2. Fühlen Sie sich der Aufgabe gewachsen?
- Welche Auswirkungen hat die Pflege auf Ihre eigene Lebensplanung oder berufliche Karriere?
- Rechnen Sie mit finanziellen Einbußen und wenn ja, wie werden Sie diese kompensieren?
- Müssten Sie persönliche Interessen und Hobbys zurückstellen oder ganz aufgeben?
- Halten Sie sich selbst für eine körperlich und psychisch starke Persönlichkeit?
- Wie viel Nähe können Sie ertragen und wie gehen Sie mit Konflikten um?
- Wie lange können Sie mit einer solchen Belastung leben?
3. Welche Unterstützung bietet das Umfeld?
- Wer unterstützt Sie bei den alltäglichen Aufgaben wie An- und Ausziehen oder der Körperpflege?
- Wer erledigt die notwendigen Einkäufe, sorgt für ausreichend Arznei- und Hygienemittel?
- Wer fühlt sich für das Kochen der Mahlzeiten, für Getränke oder das „Essen auf Rädern“ verantwortlich?
- Wer übernimmt die Wäsche, die Reinigung der Wohnung und entsorgt den Müll?
- Wer kümmert sich um den anfallenden Papierkram wie die Anträge bei der Pflegekasse?
- Wer hat Zeit für die allgemeine Betreuung und begleitet die zu pflegende Person bei sozialen Aktivitäten, führt Gespräche oder liest vor?
4. Wo soll die Pflege stattfinden?
- Kann die zu pflegende Person in ihrer eigenen Wohnung bleiben oder zieht sie bei Ihnen ein?
- Ist die Wohnung für pflegebedürftige Menschen hinsichtlich Platz und Barrierefreiheit angemessen?
- Müssen bauliche Veränderungen vorgenommen werden und oder kann mit einfachen Mitteln wie Treppenliften Abhilfe geschaffen werden?
- Gibt es bei einer gemeinschaftlichen Wohnung Rückzugsmöglichkeiten für beide Seiten?
- Wie sieht es mit der Nähe zum gewohnten sozialen Umfeld, mit der Erreichbarkeit von Freunden und Helfern aus?
Nicht alle Fragen müssen rundum positiv beantwortet werden, sehr wahrscheinlich ist die Situation sogar alles andere als ideal. Wichtig ist jedoch, sich über die weitreichenden Konsequenzen einer Entscheidung für die häusliche Pflege im Klaren zu sein und sich in wichtigen Fällen professionelle Hilfe zu holen. Wie pflegende Angehörige Entlastung für ihre schwere Aufgabe finden, darum geht es im zweiten Teil.