Angst vor dem Abgehängt-Werden – Tipps zum Umgang mit der Digitalisierung
Ob beim Bezahlen, bei der Urlaubsplanung oder in der Arztpraxis – die Digitalisierung durchdringt langsam, aber sicher unseren Alltag. Das verunsichert viele Menschen, die nicht mit Computern aufgewachsen sind. Gerade Senioren sorgen sich, vom modernen Leben abgehängt zu werden, wenn sie sich mit digitalen Kanälen nicht auskennen. Woher stammen die Berührungsängste und was können Sie selbst aktiv dafür tun, damit Sie die Vorteile der Digitalisierung in jedem Lebensalter für sich nutzen können?
Senioren und Digitalisierung: Wo ist das Problem?
Ohne Smartphone und Internetnutzung lässt sich der Alltag heutzutage kaum mehr bewältigen: Banken haben die Kontonutzung voll digitalisiert, die Bahn lockt online mit den besten Ticketpreisen und auch mit Versicherungen kommunizieren Kunden am bequemsten über E-Mail. Es ist also kein Wunder, dass sich Senioren, die kaum digitale Kanäle nutzen, geradezu vom Lauf des Lebens ausgeschlossen fühlen.
Handeln diese Menschen aus Prinzip, weil sie der modernen Technik misstrauen? Eher nicht. Die Schuld für die mangelnde Digitalkompetenz von Senioren liegt vielmehr bei den unzureichenden Angeboten:
Späteres Erlernen digitaler Fähigkeiten fällt schwerer
Jüngeren werden digitale Kompetenzen heutzutage in die Wiege gelegt. Während die Generation Z und Alpha ab der Jahrtausendwende mit den entsprechenden Technologien aufgewachsen sind, haben die meisten Millennials (Jahrgänge 1980 bis 1995) immerhin in der Schule Computerkurse besucht. Viele Babyboomer (Geburt zwischen 1946 bis 1964) wurden hingegen zwischen ihren 40. und 60. Lebensjahr zum ersten Mal mit den Möglichkeiten von Internet, Smartphone und Co konfrontiert.
Das muss nicht heißen, dass die älteren Jahrgänge die Nutzung niemals lernen könnten, aber, dass sie anders lernen. Denn wo man in jungen Jahren intuitiv lernt, eignet man sich im Alter neue Dinge eher systematisch an.
Viele Digital Natives vergessen, dass auch grundlegende Symbole und Funktionen bei PCs, Browsern und Smartphones einer Fremdsprache gleichen, wenn man sich nicht damit auskennt. Für ältere Menschen – gerade solche, die in ihrem Berufsleben keine digitalen Prozesse nutzten – braucht es deshalb geeignete Lernangebote (z. B. in Nachbarschaftszentren oder an der Volkshochschule), die bisher Mangelware sind.
Silver Surfer sind für viele Anbieter keine Zielgruppe
„Die Zielgruppe dort abholen, wo sie sich gern aufhält“ – Weil Unternehmen nach dieser Devise handeln, richten sich viele Online-Angebote verstärkt an die jüngere Generation. Das reflektieren die lockere Ansprache per E-Mail und auf Websites sowie das dynamische Design von Benutzeroberflächen.
Falls Sie neu im Internet starten und sich erst einmal deplatziert und orientierungslos fühlen, liegt das also nicht an Ihnen, sondern am Fokus auf Jugendliche in der Marketingstrategie vieler Unternehmen.
Technische Entwicklung läuft rasant
Die Innovationswut der Digitalbranche kann Menschen das Leben schwer machen. Kaum hat man sich an ein Betriebssystem gewöhnt, wird das Update zur nächsten Version fällig. Für ältere Smartphones drohen Hersteller mit Funktionsverlust, um dem Nutzer ein neueres Modell schmackhaft zu machen. Das Ärgerliche an diesen Tendenzen: Oft steht gar nicht der technische Fortschritt im Fokus der neuen Produkte, sondern die Gewinnabsicht der Hersteller.
Ein digitales Produkt nach wenigen Jahren gezielt veralten zu lassen, fällt unter die Marketingstrategie „geplante Obsoleszenz“. Sie erzeugt nicht nur Müllberge, sondern auch gesellschaftliche Ungleichheiten. Denn während sich junge Nutzer relativ schnell mit neuen Modellen anfreunden, fällt Älteren der Umstieg schwerer und erzeugt mehr Frustration.
Viele Endgeräte sind nicht barrierefrei
Nicht wenige Menschen ab 65 kämpfen mit Problemen in der Motorik und schwindenden Sinneswahrnehmungen. Um trotzdem alle digitalen Optionen voll nutzen zu können, brauchen sie die passenden Endgeräte, zum Beispiel mit Großtasten oder Sprachausgabe. Kritisch wird es, wenn sich Benutzeroberflächen im öffentlichen Raum befinden, die nicht barrierefrei sind – etwa Fahrkartenautomaten, Fahrplanauskünfte, Parken oder Car-Sharing per App.
Digitale Teilhabe ist nicht allen möglich
Nicht zuletzt spielt der Zugang zur Technologie eine wichtige Rolle. Nicht alle Senioren haben die finanziellen Mittel, um sich die neuesten Geräte leisten zu können, oder leben in Gebieten mit schnellem Internetzugang. Dies führt zu einer ungleichen Teilhabe an den Möglichkeiten der Digitalisierung. Hier sind staatliche Initiativen und gemeinnützige Organisationen gefragt, um sicherzustellen, dass auch ältere Menschen Zugang zur digitalen Welt haben.
Wie lässt sich die Digitalisierung entdecken?
Sobald die lokale Bank ihre Filiale schließt und der Fahrkartenschalter an der örtlichen Bahnstation verschwindet, sind manche Senioren erstmals gezwungen, sich mit digitalen Service-Angeboten auseinanderzusetzen. Doch Sie müssen nicht warten, bis die Umwelt Ihnen Druck macht. Entdecken Sie stattdessen Schritt für Schritt digitale Möglichkeiten, die Ihnen Spaß machen:
Digitale Video-Kommunikation
Die Kinder und Enkel wohnen hunderte Kilometer von Ihnen entfernt? Besuche finden nur zu Weihnachten statt? Das ist heutzutage kein Ausnahmefall. Doch per Video-Chat lassen sich lange Phasen zwischen den Wiedersehen lebhaft überbrücken – diese Lernerfahrung machten weite Bevölkerungsgruppen während der Corona-Krise.
Lassen Sie sich deshalb von Ihren Kindern beim Einrichten eines Video-Chat-Kanals helfen, falls Sie ihn noch nicht nutzen. Damit gewinnen Sie an digitaler Kompetenz, während auch die allgemeine Kommunikation in der Familie profitiert. Wenn Sie geübt sind, ergeben sich eventuell auch andere belebende Konversationen – z.B. mit dem Jugendfreund, der vor Jahrzehnten nach Australien ausgewandert ist.
Sozialleben online
Nicht nur junge Menschen pflegen ihre Sozialkontakte im Internet, auch Senioren nutzen verstärkt Social Media. Hier gibt es spezielle Portale für Ältere. Viele von ihnen nutzen Facebook. Kein Wunder, denn mit weltweit 3 Milliarden Mitgliedern bietet das Netzwerk wohl die höchsten Chancen, manch einen alten Schulfreund wiederzufinden oder entfernte Verwandtschaft aufzustöbern.
Doch die meisten Online-Kontakte beschränken sich nicht auf die virtuelle Welt. Paradoxerweise finden Sie auf der Website Ihrer Heimatstadt, in den Online-Kleinanzeigen und in lokalen Facebook-Gruppen viele Angebote für Treffen und Veranstaltungen, die dann in der analogen Welt stattfinden.
Kurse besuchen und digital fit werden
Viele Volkshochschulen spüren die wachsende Nachfrage und bieten verstärkt Kurse an, mit denen Senioren ihre Digitalkompetenzen verbessern können. Falls Sie sich mit PC oder Internet unsicher fühlen, nutzen Sie das Angebot! Der Vorteil: In der Anfängergruppe können Sie ohne Scheu jede Frage stellen und werden Schritt für Schritt angeleitet.
Ein weiteres Plus: Im Idealfall ergeben sich bereichernde Bekanntschaften, die Sie inspirieren, sich in punkto Digitaltechnik oder auf anderen Feldern noch weiter zu engagieren.
Surfen Sie sicher!
Gerade ältere Menschen hegen oft (berechtigte) Ängste vor potenziellen Sicherheitsrisiken im Internet wie Betrug, Phishing oder Identitätsdiebstahl. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass sie sich generell von digitalen Aktivitäten fernhalten.
Allerdings gibt es gute Aufklärungsangebote und Grundregeln, die Ihnen zeigen, wie Sie sich vor Online-Betrug schützen. Nutzen Sie dafür die Kurse der VHS oder Angebote von Verbraucherschutzvereinen. Denn je sicherer Sie sich online fühlen, desto leichter fallen Ihnen alltägliche Erfordernisse wie das Einkaufen im Netz, Online-Banking, die Steuererklärung oder die Kommunikation mit Versicherungen.
IoT – neue Möglichkeiten für Senioren
Die Abkürzung IoT steht für „Internet of Things“ und bezeichnet vernetzte Geräte, die ihre Daten selbstständig untereinander austauschen. Diese Technologie bringt älteren Menschen gerade im Bereich Gesundheit ein großes Plus an Komfort und Sicherheit.
Diabetiker können zum Beispiel ihren Blutzucker heutzutage kontinuierlich überwachen, weil ein auf den Oberarm applizierter Sensor den Blutzuckerwert auf ihr Smartphone übermittelt.
Die Technologie erlaubt ebenfalls, dass Angehörige oder Pflegepersonal bei kritischen Werten übers Smartphone benachrichtigt werden, und teilt die Daten zur Analyse direkt mit dem behandelnden Arzt.
Smart Home als Einstieg?
Wer wünscht sich nicht manchmal ins letzte Jahrhundert zurück, wenn der Computer abstürzt und das Smartphone verrücktspielt? Doch so viel Frustration die moderne Digitaltechnik auch erzeugen mag, so viele Vorteile bringt sie mit. Am direktesten spüren Sie diesen Fortschritt bei der aktuellen Smart-Home-Technologie.
Sie gestaltet nicht nur Ihren Alltag komfortabler, sondern kann für ältere Menschen auch eine Brücke in die Welt der Digitalisierung schlagen. Besonders beliebt sind dabei die folgenden Elemente:
- Smarte Beleuchtung: Beleuchtungssysteme, die ferngesteuert oder automatisiert werden können, ermöglichen die bequeme Regulation der Helligkeit, können die Farbtemperatur ändern und Lichtszenarien erstellen. Lichter mit Bewegungsmeldern steigern außerdem Ihre Sicherheit im Außenbereich, auf Treppen und bei Stolperfallen im Dunkeln.
- Sicherheits- und Überwachungssysteme: Kameras, Bewegungsmelder, Rauch- und Kohlenmonoxid-Melder sowie Tür- und Fenstersensoren informieren Sie über potenzielle Gefahren und ermöglichen es Ihnen, Ihr Zuhause per Smartphone aus der Ferne zu überwachen.
- Smart-Home-Assistenten: Intelligente Sprachassistenten wie Amazon Echo (Alexa), Google Home und Apple HomePod, können Sie per Sprachbefehl steuern. Die Geräte dienen als verbale Schaltstelle zu anderen smarten Geräten (z. B. der Lichtsteuerung), liefern Ihnen Informationen über das Wetter oder spielen die gewünschte Musik.
- Heizungs- und Klimasteuerung: Intelligente Thermostate passen die Temperatur automatisch an – basierend auf den Gewohnheiten der Hausbewohner oder der Wettervorhersage.
- Smart-Home-Steckdosen und Schalter: Sie ermöglichen es, herkömmliche Geräte in „smarte“ Geräte zu verwandeln, die ferngesteuert werden können.
- Automatisierte Fensterabdeckungen: Intelligente Vorhänge oder Jalousien öffnen und schließen sich automatisch, um Licht und Privatsphäre zu steuern, oder vor Regen zu schützen.
- Haushaltsgeräte: Smarte Kühlschränke, Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler und andere Geräte lassen sich aus der Ferne überwachen und steuern. So können Sie oder Ihre Angehörigen sichergehen, dass bei Abwesenheit auf dem Herd nichts anbrennt.
- Hausnotruf: Sensoren und Geräte zur Überwachung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Bewohnern benachrichtigen im Bedarfsfall Pflegekräfte oder Angehörige. Dazu zählen der klassische Notruf-Knopf am Armband sowie Drucksensoren im Bodenbelag, die Stürze registrieren und melden.
- Smart Locks: Intelligente Türschlösser ermöglichen es, Türen über das Smartphone zu verriegeln und zu entriegeln, Gästen zeitlich begrenzten Zugang zu gewähren und Aktivitäten zu protokollieren.
- Automatisierte Bewässerungssysteme: Diese Systeme steuern die Bewässerung von Pflanzen und Rasenflächen basierend auf Wetterdaten und Bodenfeuchtigkeit.
Fazit: Sie können auch im Alter noch zum Digital Native werden
Video-Chats, bequemes Shopping und die schnelle Erledigung von Formalitäten – die digitale Welt hat Vorteile, die auch Senioren nicht mehr missen möchten, sobald sie sie für sich entdeckt haben. Ein Tipp: Starten Sie auf einem Gebiet, das Ihnen besonders wichtig ist, zum Beispiel der Videotelefonie mit Ihrem Enkel oder der Gründung einer lokalen Facebook-Gruppe für Gartenfreunde.
Abseits davon ermöglichen Ihnen digitale Gesundheitsanwendungen und die Smart Home Technologie, schrittweise und mit Komfort in die digitale Welt einzutauchen. Sie erleichtern den Alltag und steigern die persönliche Sicherheit.