Digitale Teilhabe für ältere Menschen
Wie technische Assistenzsysteme uns ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen können
Technologischer Fortschritt beeinflusst unser Leben nicht erst seit der Erfindung des Internets. Doch die Corona-Pandemie macht einmal mehr deutlich, wie zentral Technik inzwischen unser modernes Leben bestimmt und wie sehr wir ohne sie von sozialer Teilhabe ausgeschlossen sind. Um so wichtiger ist es, nicht den Anschluss zu verlieren.
Die Relevanz hat auch die Bundesregierung erkannt. Sie sieht im aktuellen Altersbericht digitale Technologien als wesentliche Chance für ein selbstbestimmtes Leben. So gehört der Videoanruf bei der Familie, der Konsum digitaler Medien, der Online-Einkauf, das Surfen zum Amt, aber auch der virtuelle Arztbesuch längst zur neuen Normalität.
Gerade in Pandemiezeiten hat sich die digitale Kommunikation als fast schon lebensnotwendiger Ersatz für viele weggebrochene persönliche Begegnungen beweisen können. Immerhin haben ungefähr 80 Prozent der Menschen im sogenannten Ruhestand einen Internetzugang und nutzen ihn oft auch zur sozialen Interaktion. Weniger verbreitet sind dagegen Technische Assistenzsysteme oder Smart-Home-Technologien, welche die Eigenständigkeit bis ins hohe Alter sichern können.
Das neue Wohnen
Für Dr. Sibylle Meyer, Mitglied der Achten Altersberichtskommission, hat gerade das Thema Wohnen einen zentralen Stellenwert, weil „Wohnen eines der bedeutsamsten Grundbedürfnisse gerade älterer Menschen ist.“ Und tatsächlich spielen technische Assistenzsysteme rund um das eigene Heim im Leben vieler Menschen eine immer wichtigere Rolle.
Sei es ein digitaler Hausnotruf, der per Fernbedieung angeforderte Treppenlift, die smarte Türklingel, der Saugroboter oder die Fitnessuhr – für Jüngere ist das Smart Home eher eine Frage des Wohnkomforts, für Ältere ist es oft eine Entscheidung darüber, ob ein hilfebedürftiger Mensch in seinem gewohnten Lebensumfeld bleiben kann oder nicht.
Für mehr Sicherheit
„Als nützlich erwiesen haben sich zum Beispiel technische Unterstützungen im Bereich der Sicherheit zuhause“, erläutert Dr. Sibylle Meyer weiter. Die nicht nur bei Senioren wie Angehörigen nachgefragte Sparte jener Smart-Home-Anwendungen sind ein wesentlicher Apsekt, wenn es um das Wohnen im Alter geht. Egal ob elektronische Türschlösser, die Klingelanlage mit Videoübertragung oder die Überwachungskamera mit Blick auf den versteckten Kellereingang im Garten – sie alle versprechen mehr Schutz und Geborgenheit im eigenen Heim.
Vielfach dient die Technik im Haus jedoch nicht nur dem Schutz vor äußeren Gefahren, sondern der gesundheitlichen Überwachung seiner Bewohner. Ein Thema, das vor allem pflegenden Angehörigen wichtig ist. Sie können nicht immer vor Ort sein und müssen oft einfach darauf vertrauen, dass nichts Schlimmes passiert. Ein smartes Zuhause kann hier Sorgen lindern, denn es registriert Unstimmigkeiten im Tagesablauf und gibt eine Warnmeldung an die verantwortliche Stelle weiter.
Technik für Menschen
Prof. Dr. Birgit Apfelbaum, ebenfalls Mitglied der Achten Altersberichtskommission, ist sich sicher: „Grundsätzlich würde ich sagen, digitale Produkte und Anwendungen im eigenen Zuhause […] können immer dann hilfreich sein, wenn sie möglichst nah andocken, an das, was unsere tatsächlich vertrauten Alltagsroutinen sind.“
Vereinfacht gesagt, muss sich ein Smart Home an den Bedürfnissen seiner Nutzer orientieren – nicht umgekehrt. Und genau hier liegt oftmals noch ein Problem, denn die Technologie ist erklärungsbedürftig und viele alte Menschen sind mit digitalen Werkzeugen kaum vertraut. Deshalb ist in Deutschland die Akzeptanz digitaler Assistenzsysteme unter älteren Menschen noch nicht sonderlich groß.
Lebenslanges Lernen fängt jetzt erst an
Damit ein Großteil der Gesellschaft durch den digitalen Wandel nicht abgehängt wird, hat die Bundesregierung gemeinsam mit Wissenschaft und Verbänden mehrere Projekte zur Wissensvermittlung an den Start gebracht:
Um immer mehr Menschen die Selbstständigkeit bis ins hohe Alter zu bewahren, erachtet der aktuelle Altersbericht drei Punkte als besonders wichtig:
- Es sollte sichergestellt werden, dass überall da, wo ältere Menschen und wohnen und leben, Internetzugänge bereitstehen und genutzt werden können.
- Digitale Assistenzsysteme für die Wohnung sollten möglichst benutzerfreundlich gestaltet und ihre Bedienung möglichst selbsterklärend sein.
- Es sollten mehr Möglichkeiten geschaffen werden, sich über Assistenztechnik in der Wohnung informieren zu können, zum Beispiel durch nicht-kommerzielle Internetportale, Wohnberatungsstellen und Musterwohnungen.
Neben den Vorteilen der Digitalisierung sollten die Nachteile wie zum Beispiel der Missbrauch nicht außer Acht gelassen werden. Nicht jede zur Marktreife gebrachte Idee sollte auch adaptiert werden. Eine erhöhte Komplexität kann zudem mehr Aufwand oder sogar Überforderung bedeuten, nicht nur für ältere Menschen selbst, sondern auch für ihr Umfeld.
Dr. Sibylle Meyer: „Der Altersbericht in seinen Empfehlungen weist hin auf ein Grundrecht auf Digitalisierung. Das bedeutet, dass jeder Mensch, der es möchte, nicht gezwungenermaßen, sondern jeder Mensch, der es möchte, am gesellschaftlichen Prozess der Digitalisierung teilhaben kann.“