Die Angst fährt mit
Viele Ältere fühlen sich im heutigen Verkehr verloren

Wie mobil ältere Menschen sind, hängt nicht allein vom eigenen Gesundheitszustand oder den zur Wahl stehenden Verkehrmitteln ab. Es ist auch eine Frage, wie sicher sich Senioren als Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV-Nutzer oder Autofahrer im heutigen Verkehr tatsächlich fühlen. Denn auch wenn das Mobilitätsangebot für ältere Menschen immer größer wird, die subjektive Angst vor Verkehrsrowdytum und Unfällen nimmt ebenfalls zu.
Eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) herausgegebene Studie kommt beim Thema Sicherheitsgefühle und Ängste älterer Bürger zu einem ernüchternden Ergebnis. Fast alle Senioren, seien sie als Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV-Nutzer oder Autofahrer unterwegs, leiden unter einem stetig dichter und wohl auch zunehmend aggressiver werdenden Verkehr. Noch vor gesundheitlichen oder auch witterungsbedingten Beeinträchtigungen wird von den Befragten immer wieder der hektische Verkehr an erster Stelle genannt.
Aggressive Verkehrsteilnehmer und mangelhafte Infrastruktur
Verständlich, denn mit den Jahren, dem eigenen Alter und einer zunehmenden Hilfebedürftigkeit, ist auch die Verkehrsdichte immer weiter angewachsen und macht es gerade für ältere Bürger immer riskanter, auf die Straße zu gehen. Neben undisziplinierten, teils rücksichtslosen Auto- oder Radfahrern, zugeparkten Gehwegen, zu breiten und stark befahrenen Straßen empfinden viele alte Menschen den Verkehr nur noch „chaotisch“ oder gar „unheimlich“.
Wesentlicher Kritikpunkt ist bei älteren Verkehrsteilnehmern eine allgemein schlechte Infrastruktur, also eine ungünstige Verkehrsanbindung durch den ÖPNV, wenig altengerechte Ein- und Ausstiege bei Bus oder Bahn, fehlende Radwege oder ganz einfach zu kurze Grünphasen an den Fußgängerampeln. Wegen fehlender Parkplätze und der mit Stress verbundenen Parkplatzsuche gilt auch das Auto nicht per se als Fortbewegungsmittel der Wahl.
Bedürfnisse älterer Menschen im Straßenverkehr
Vergleiche verschiedener Studien machen deutlich, dass sich nur wenig an den Bedürfnissen älterer Menschen als Verkehrsteilnehmer verändert hat. Auch über Jahrzehnte hinweg stimmen viele Senioren Aussagen wie den folgenden mehr oder weniger in dieser Rangfolge zu:
- Es sollte Kindern und Jugendlichen verboten werden, mit ihren Fahrrädern auf Fußwegen zu fahren.
- Es gibt nicht genügend Radwege.
- Es gibt zu wenig Personen, die im Bus oder in der Straßenbahn Bedürftigen ihren Sitzplatz anbieten.
- Viele Auto- und Motorradfahrer fahren zu schnell an Fußgängerüberwege heran und signalisieren nicht, ob sie bremsen.
- Der motorisierte Verkehr fährt häufig zu schnell und zu dicht an Bürgersteigen entlang.
- Autos und Motorräder fahren so schnell, dass man sie oft erst in letzter Minute sieht.
- Als älterer Mensch fühlt man sich im heutigen Straßenverkehr benachteiligt.
- Die Ampel schaltet an Fußgängerüberwegen oft viel zu schnell auf Rot.
- Das Verkehrsaufkommen ist zu Stoßzeiten so hoch, dass man sich kaum noch auf die Straße wagt.
- Dem heutigen Verkehr steht man häufig hilflos gegenüber.
Mobilität als eine Frage des Vertrauens
Mit der Überforderung wächst auch der Vertrauensverlust, dass sich wirklich alle Verkehrsteilnehmer den Regeln entsprechend verhalten. Gerade Fahrradfahrer und Inline-Skater, die den Bürgersteig zu schnell und in der falschen Richtung entlangrasen, verunsichern ältere Fußgänger sehr. Zwar fühlen sich Frauen den Umfragen zufolge durch das zunehmend aggressive Verkehrsverhalten stärker verunsichert als Männer, jedoch beeinträchtigt es die Bewegungsfreiheit faktisch aller älterer Menschen und die Mobilität ganz allgemein.
Seniorengerechter Verkehr bedeutet deshalb nicht nur Ausbau und Verbesserung der bestehenden Infrastruktur wie:
- Ausbau des Radwegenetzes
- längere Ampelphasen für Fußgänger
- mehr Zebrastreifen und Fußgängerinseln
- Angebot von Sitzgelegenheiten unterwegs
- verbesserte Ein- und Ausstiege bei Bus und Bahn
Fragt man ältere Menschen, was sie am heutigen Verkehr besonders stört, so ist das neben der Überforderung eben auch die Angst vor einem immer rücksichtsloseren Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. So erwarten sich viele Menschen eine Erhöhung der Sicherheit durch mehr Personal oder zumindest mehr Kameras in der Öffentlichkeit. Das Gebot der Stunde sollte aber vor allem mehr Höflichkeit und Rücksichtnahme sein.
Welche konkreten Möglichkeiten sich Senioren bieten, um ihre Mobilität zu verbessern, darum soll es im folgenden Beitrag gehen.
Bislang erschienen
Teil 1 – Im Alter ohne Auto abgehängt? Mobilität als ein Stück Lebensqualität
Teil 2 – Die Angst fährt mit. Viele Ältere fühlen sich im heutigen Verkehr verloren
Teil 3 – Senioren im ÖPNV unterwegs. Tipps für eine sichere Nutzung von Bus und Bahn
Teil 4 – Ein Rad für alle Fälle. Auch im Alter mobil dank Fahrrad