Zahnprophylaxe bei pflegebedürftigen Menschen
Risiken und Herausforderungen für die Mundgesundheit
Die Mundhygiene pflegebedürftiger Menschen ist ein unterschätztes Problem, das jedoch weitreichende Auswirkungen auf ihre Gesundheit und Lebensqualität haben kann. Eine konsequente Unterstützung bei der Zahnpflege durch Angehörige und Pflegepersonal kann dabei helfen, die gesundheitlichen Risiken zu minimieren.
In einer Gesellschaft, in der das Durchschnittsalter der Bevölkerung stetig steigt, kommt auch der Zahnpflege eine tragende Rolle bei der Gesunderhaltung des eigenen Körpers zu. Menschen mit kognitiven Einschränkungen wie Demenz oder körperlichen Gebrechen wie Paresen sind hier besonders gefährdet, da sie nur selten in der Lage sind, eigenständig einer regelmäßigen Zahn- und Mundhygiene nachzugehen.
Nach Erhebungen der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie, sind 30 Prozent der Pflegebedürftigen nicht mehr in der Lage, die Zähne oder den Zahnersatz eigenständig zu reinigen. 60 Prozent der Pflegebedürftigen können die notwendigen Zahnarztbesuche nicht mehr eigenständig organisieren und wahrnehmen. Das hat eklatante Folgen: Pflegebedürftige haben im Vergleich zu den 75- bis 100-Jährigen ohne Pflegebedarf häufiger Karies und Parodontitis, tragen häufiger herausnehmbaren Zahnersatz und haben weniger eigene Zähne. Jeder zweite Pflegebedürftige ist zahnlos.
Gründe für das erhöhte Risiko von Zahnerkrankungen
Die Mundgesundheit älterer Menschen wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, die oft übersehen werden. Einer der Hauptverursacher ist die Einnahme von Medikamenten, die häufig zu Mundtrockenheit führt. Eine trockene Mundhöhle bietet jedoch ideale Bedingungen für die Entwicklung von Karies. Darüber hinaus tragen eingeschränkte Ernährungsgewohnheiten, beeinträchtigte Sehkraft und Feinmotorik dazu bei, dass die Mundpflege vernachlässigt wird. Besonders gefährdet sind Personen mit kognitiven Einschränkungen wie Demenz oder Lähmungen.
Wir sehen oft schlimme Verhältnisse im Mund älterer Menschen, die bei der Zahnpflege auf Unterstützung angewiesen sind“, rügt Silke Lange, Zahnärztin und Vorstandsreferentin für Seniorenzahnmedizin der Zahnärztekammer Niedersachen.
Die Vernachlässigung der Mund- und Zahnpflege bei pflegebedürftigen Menschen kann jedoch schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Eine der gravierendsten ist das erhöhte Risiko von Lungenentzündungen. Bakterien aus dem Mundraum können in die Atemwege gelangen und Entzündungen verursachen. Außerdem können Entzündungen des Zahnfleisches zu einem schlechten Sitz von Prothesen führen, was die Nahrungsaufnahme erschwert und zu Mangelernährung führt.
Anrecht auf prophylaktische Pflege
Die Bedeutung der Mundgesundheit älterer Menschen wird zunehmend von Politik und Gesellschaft erkannt. Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung haben nach § 22a SGB V seit dem 1. Juli 2018 Anspruch auf präventive Leistungen. So haben alle Patienten – auch die ambulant und stationär versorgten – Anspruch auf eine zusätzliche zahnärztliche Vorsorge. Diese umfasst eine Bestandsaufnahme der Mundhöhle und die Erstellung eines Behandlungsplans.
Tipps für den Erhalt der Zahngesundheit pflegebedürftiger Menschen
Die gute Nachricht ist, dass es Maßnahmen gibt, um die Mundgesundheit bei Pflegebedürftigen zu schützen und zu verbessern. Hier sind einige praktische Tipps:
- Unterstützung bei der Mundhygiene – Pflegebedürftigkeit bedeutet auch Hilfebedürftigkeit bei der Zahnpflege. Pflegekräfte und Angehörige sollten regelmäßig die Zähne putzen oder Hilfe anbieten, wenn die Person dazu nicht mehr in der Lage ist.
- Alternativen zur Zahnbürste – Nach jeder Mahlzeit sollte eine mechanische Zahnpflege durchgeführt werden, vorzugsweise mit einer weichen Zahnbürste. Bei Schwierigkeiten mit der Zahnbürste können Mundspülungen oder spezielle Gele eine Alternative sein.
- Gesunde Ernährung – Eine ausgewogene Ernährung, die frei von klebrigen, süßen oder säurehaltigen Lebensmitteln ist, aber reich an Calcium, ist entscheidend für die Zahngesundheit. Soweit möglich stärkt feste, statt pürierte Nahrung, den Zahnhalteapparat.
- Ausreichend trinken – Das Trinken von ausreichend Wasser hilft, Mundtrockenheit zu verhindern. Zahnpflegekaugummis oder zuckerfreie Bonbons regen den Speichelfluss an und neutralisieren kariesfördernde Säuren.
- Pflege von Zahnersatz – Zahnersatz sollte regelmäßig außerhalb des Mundes gereinigt werden, um Entzündungen zu vermeiden. Bestehende Entzündungen sollten frühzeitig behandelt werden, um schwerwiegende Komplikationen zu verhindern.
- Regelmäßige Zahnarztbesuche – Die regelmäßigen Besuche beim Zahnarzt sind von entscheidender Bedeutung, um potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Insgesamt ist eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle wünschenswert, denn aus einer Zahnfleischentzündung kann sich schnell eine Parodontitis (bakterielle Entzündung des Zahnbettes) entwickeln. Und dann ist nicht nur das Zahnfleisch gefährdet. Unter anderem erhöht eine Parodontitis das Risiko für:
- Diabetes
- rheumatoide Arthritis
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Zahnverlust
- Magenkrebs
Mundpflege als Grundlage für ein würdevolles und gesundes Leben im Alter
Die Mundgesundheit bei pflegebedürftigen Menschen ist ein oft unterschätztes, aber äußerst wichtiges Thema. Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie zeigt deutlich, dass ältere Menschen ein erhöhtes Risiko für Zahnerkrankungen haben. Um dieses Risiko zu minimieren, ist eine umfassende Mundpflege unerlässlich. Angehörige und Pflegekräfte sollten sich der Herausforderungen bewusst sein und alles tun, um die Mundgesundheit der zu betreuenden Person zu erhalten. Denn eine gute Zahngesundheit trägt nicht nur zur Lebensqualität bei, sondern kann auch schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen verhindern.
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Teil 1 – Zahnpflege – Zahngesundheit bei Senioren
Teil 2 – Zahnpflege – Zahnprophylaxe im Alter