Harninkontinenz
Formen und Ausprägungen einer Volkskrankheit
Die Ursachen für Inkontinenz, umgangssprachlich verkürzt auch als Blasenschwäche bezeichnet, sind vielfältig. Fakt ist: Über 10 Prozent aller Deutschen sind von einer mehr oder weniger schweren Inkontinenz betroffen. Doch nur selten wird darüber gesprochen – die wenigsten trauen sich mit diesem Problem zum Arzt. Dabei ist das Wissen um die Gründe ein erster Schritt zur Prävention, die frühzeitige Erkennung für eine Therapie wichtig. Doch was sind die typischen Anzeichen, und ist tatsächlich eine schwache Blase an allem Schuld?
Inkontinenz hat viele Ursachen. Sie ist keine Krankheit, sondern vielmehr ein Symptom. Ursache können eine Erkrankung der Harnorgane sein, ein schwacher Beckenboden, eine Störung der Nerven oder des Gehirns. Um die Gründe für Inkontinenz nachvollziehen zu können, ist ein grundsätzliches Verständnis von Aufbau und Funktion des Harnsystems notwendig.
Das Harnsystem
Zur Reinigung unseres Körpers von Giftstoffen filtern die Nieren permanent unser Blut und produzieren als Abfallprodukt jede Menge Urin, der in der Blase gesammelt wird. Sie ist extrem flexibel, ähnlich einem Ballon, und kann bis zu einem Liter Flüssigkeit über mehrere Stunden halten. Die Ausdehnung der Blase wird von Rezeptoren in der Blasenwand registriert. Sie geben die Informationen über das Rückenmark an das Gehirn weiter, das die Botschaft mit „Harndrang“ übersetzt und zur Sicherheit gleichzeitig den inneren Schließmuskel blockiert sowie den Beckenboden anspannt.
Ist eines der bei diesem komplexen Vorgang beteiligten Organe gestört, kommt es zu einer mehr oder minder schweren Inkontinenz. Dabei sind aus physiologischen Gründen Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer. In der Medizin werden folgende Formen der Inkontinenz untschieden – Blasenschwäche ist nur eine davon.
1. Harnbelastungsinkontinenz
Sie tritt vor allem bei körperlicher Anstrengung, beim Heben, Treppensteigen, mitunter aber auch bei Lachen, Niesen oder Husten auf. Ursache ist eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur, was die Funktion des Schließmuskels der Harnröhre beeinträchtigt. Lassen bei Frauen häufig die Haltebänder des Beckenbodens aufgrund von Schwangerschaft oder Wechseljahren nach, wird bei Männern die Belastungsinkontinenz meist auf eine Beschädigung der äußeren Blasenschließmuskeln durch Unfall oder Operation zurückgeführt.
Leichten Formen der Harnbelastungsinkontinenz kann mit einem Training des Beckenbodens begegnet werden. Im Gegensatz zum inneren Schließmuskel lässt er sich kontrolliert an- und entspannen. Beim schweren Tragen, Husten oder Niesen hält er dem Druck entgegen.
2. Harndranginkontinenz
Obwohl die Blase kaum gefüllt ist, erleben Betroffene einen plötzlichen, unkontrollierbaren Harndrang, was eine Entzündung der Blase, Harnwege, Blasensteine, Tumore, eine vergrößerte Prostata bei Männern oder Östrogenmangel bei Frauen als Ursache haben kann. Aber auch Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose oder ein Schaganfall können der Grund für eine Dranginkontinenz sein.
Ist eine Entzündung der Blase oder des Harnwegs die Ursache, kann der Inkontinenz mit vermehrtem Trinken begegnet werden. Als besonders wirksam haben sich Tees, vor allem mit Cranberry erwiesen. Die Inhaltsstoffe der roten Beere verhindern, dass sich Bakterien in Blase und Harnweg vermehren beziehungsweise überhaupt ansiedeln können.
3. Reflexinkontinenz
Neben den beiden ersten Ausprägungen und entsprechenden Mischformen als häufigste Ursache, gibt es noch weitere, seltenere Varianten der Harninkontinenz. So verlieren Betroffene bei Reflexinkontinenz Harn ohne jedes Warnsignal. Grund ist eine unterbrochene Verbindung zwischen Blase und Gehirn. Letzteres wird, anders als bei gesunden Nervenbahnen, nicht über eine volle Blase informiert.
Die Gründe für eine Unterbrechung liegen unfallbedingt in einer Verletzung des Rückenmarks, in Querschnittslähmungen, Multipler Sklerose, sie kann aber auch durch Alzheimer oder Parkinson verursacht werden.
4. Überlaufinkontinenz
Anders als bei einem zu schwachen Schließmuskel kann sich die Blase bei der Überlaufinkontinenz nicht mehr vollständig entleeren. Grund kann eine blockierte Harnröhre sein, aber auch eine zu schlaffe Muskulatur der Harnblase, wodurch der Blasenboden tiefer liegt als der Harnausgang. Die Blase ist dauerhaft gefüllt, es besteht permanent die Gefahr des Überlaufens.
Als Ursachen gelten eine vergrößerte Prostata bei Männern, eine verengte Harnröhre, eine Verdickung der Blasenwand oder auch allgemein Stoffwechselstörungen.
Sprechen Sie über Inkontinenz
Welche Form der Blasenschwäche persönlich vorliegt, lässt sich von Betroffenen nicht immer zweifelsfrei klären. Als Anhaltspunkt kann ein Trinkprotokoll, ein sogenanntes Miktionsprotokoll helfen, die Symptome genauer einzukreisen. Darauf baut auch die fachliche Meinung eines Arztes. Zahlreiche ärztliche Beratungsstellen haben sich deutschlandweit auf den vertrauensvolle Umgang mit dem Problem spezialisiert. Sie können nach Aufnahme der Anamnese und eingehender Untersuchung die genaue Form der Inkontinenz diagnostizieren, was einen wesentlichen Schritt auf der Suche nach den Ursachen darstellt.