Volkshochschule - Grande Dame der Erwachsenenbildung
Wie Sie mit VHS-Kursen geistig fit und rege bleiben
Mit dem Herbst starten auch die Volkshochschulen (VHS) in ein neues Semester. Doch es ist kein gewöhnlicher Semesterbeginn. Die VHS feiern in Deutschland ihr 100-jähriges Jubiläum, 100 Jahre Bildung für alle. Auch ältere Menschen wissen die einzigartige Programmvielfalt zu schätzen, die neben reiner Weiterbildung jede Menge Kreativität, geistige Fitness und regen Kontakt zu anderen Senioren verspricht.
Jutta Schmidt hat alle Hände voll zu tun. Seit ihr Mann vor vier Jahren starb, lebt sie in ihrem großen Haus auf dem Land ganz allein. Einkauf, Haushalt, die Pflege des Gartens – selbst das Thema Steuern und Finanzen stemmt die drahtige Frau mit der adretten Kurzhaarfrisur aus eigener Kraft. Ihre beiden Kinder können selten helfen. Sie haben längst eigene Familien. Ist dort Not am Mann, fährt die umtriebige Rentnerin zur Betreuung ihrer Enkelkinder mit dem Zug durch die halbe Republik.
Sofern es ihr Terminkalender zulässt. Denn einmal die Woche fährt Jutta Schmidt mit dem Fahrrad in die nahegelegene Kreisstadt zum Französischkurs. Oder zum Smartphone-Einsteigerkurs, zum Gehirnjogging oder zum Bridge. Mit den Fingern rechnet sie kurz nach – sie hat zig Volkshochschulkurse besucht, ihre Neugier aber längst noch nicht gestillt. Neben neuen Impulsen zu mitunter ganz praktischen Alltagsthemen ist ihr vor allem das Miteinander wichtig. Und so wie ihr, geht es vielen Senioren.
In guter Gesellschaft
Sie alle haben keine Lust, auf das alltägliche Vorabendfernsehprogramm, sondern nutzen die Gelegenheit, um unter Leute zu kommen und um all die Themen aufzugreifen, zu denen ein Leben lang keine Zeit geblieben war. Endlich können sie mit Gleichgesinnten griechische Sitten und Gebräuche entdecken, in einem Tanzkurs mit, aber auch ohne Tanzpartner Salsa ausprobieren oder von Profis alles über Permakultur erfahren und gemeinsam Kräuterspiralen bauen.
100 Jahre lebenslanges Lernen
Einzelne Vertreter der sogenannten Volkshochschulen lassen sich eigentlich bereits im 19. Jahrhundert finden, doch erst mit dem Artikel 148 der Weimarer Verfassung erhielt Weiterbildung im Jahr 1919 Verfassungsrang. Das löste eine wahre Welle der Volkshochschulgründungen in Deutschland aus und macht sie heute zu einem wesentlichen Akteur des öffentlichen Bildungssystems.
Es ist erstaunlich, aber unter den rund 700.000 jährlich stattfindenden Lehrveranstaltungen gibt es so gut wie nichts, was es nicht gibt. Sprachen, Gesundheitsthemen, Ernährung, Kunst und Kultur, Kreativwerkstätten, Computer und neue Medien, Kurse zu Beruf und Karriere, Politik und Gesellschaft, Natur und Umwelt – selbst Schulabschlüsse kann man an den Volkshochschulen nachholen. Darüber hinaus leisten sie einen wichtigen Beitrag bei der Integration geflüchteter Menschen. Längst sind die rund 900 Volkshochschulen in Deutschland zur ersten Anlaufstelle für Bildungshungrige geworden.
Jutta Schmidt fällt es nicht immer leicht, bei diesem breiten Angebot den Überblick zu behalten. Um sich nicht zu verzetteln, lässt sie sich bei der Wahl nicht nur von den angebotenen Themen leiten, sondern berücksichtigt auch andere Interessen. Hatte sie sich anfangs noch in jeden Kurs gesetzt, der für sie spannend klang, sucht sie inzwischen gezielt nach Seminaren, wo der Kontakt mit Gleichgesinnten im Vordergrund steht oder beispielsweise kleinere Exkursionen Teil des Programms sind.
Auch auf den Lerntyp kommt es an
Um in den halbjährlichen Fortbildungen mit Spaß und Freude bei der Stange zu bleiben, half es ihr auch, sich über den eigenen Lerntyp im Klaren zu sein.
- So gibt es Menschen, die anderen lieber über die Schulter schauen, in Übungen erst einmal zusehen, wie die Nachbarn an Aufgaben herangehen. Beobachter lernen am besten an den Beispielen anderer Teilnehmer.
- Manche müssen einem Problem oder einer Aufgabenstellung erst einmal analytisch zu Leibe rücken, alles theoretisch durchdacht und verstanden haben, bevor sie als Nachdenker auf Basis dessen ins Handeln kommen.
- Anders die sogenannten Aktivisten, die eher praktisch orientiert sind und gern experimentieren. Die Zusammenhänge verstehen sie in der Anwendung am besten – „Learning by doing“.
Allen gemein ist der Wissensdurst und der Spaß am Lernen. Wenn sie durch das frisch gedruckte Programmheft ihrer VHS blättert, so wächst bei Jutta Schmidt schnell die Vorfreude auf die kommende Zeit voller Erkenntnisse und zwischenmenschlicher Erlebnisse. Und so wie ihr geht es rund 9 Millionen Besuchern jedes Jahr.