Checkliste: Pflege zuhause oder Wechsel ins Heim?
Dank des medizinischen Fortschritts werden die Menschen in Deutschland immer älter. Derzeit liegt die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen bei 83,6 Jahren. Männer werden durchschnittlich 78,9 Jahre alt. Die meisten Senioren erfreuen sich guter Gesundheit. Dennoch birgt ein hohes Alter die Risiken von Krankheit und Pflegebedürftigkeit.
Das statistische Bundesamt nennt für Deutschland rund 3,4 Millionen Pflegebedürftige. Betreut werden sie zu Hause mit der Unterstützung von 14.100 ambulanten Pflegediensten. Für die Betreuung im Heim stehen etwa 14.500 Einrichtungen zur Verfügung. Wer sich oder seine Angehörigen auch hochbetagt rundum gut versorgt wissen will, tut gut daran, sich früh Gedanken darüber zu machen, ob das eigene Zuhause oder das Pflegeheim die richtige Wahl ist.
Größter Wunsch: Pflege zuhause
Die meisten Pflegebedürftigen möchten so lange wie möglich in ihrem vertrauten Zuhause wohnen bleiben. Die Zahlen für Deutschland zeigen, dass dies in großem Maß in der Bundesrepublik der Fall ist: Etwa vier von fünf zu Pflegende werden in ihrem Zuhause versorgt.
In der Regel erfolgen die Versorgung und Betreuung durch Mitglieder der Familie, oft unterstützt durch einen ambulanten Pflegedienst. Zum Vergleich: BewohnerInnen in Pflegeheimen machen etwa ein Fünftel der Menschen mit Pflegebedarf in Deutschland aus.
Der größte Vorteil häuslicher Pflege ist das vertraute Umfeld. Der Pflegebedürftige muss die gewohnte Umgebung, die ihm Sicherheit gibt, nicht verlassen. Erinnerungen in den eigenen vier Wänden einer Wohnung oder eines vielleicht einst selbst gebauten Hauses vermitteln Geborgenheit. Dazu kommt das stützende Umfeld durch Bekannte und Nachbarn, der Verein oder die seit langem bestehende Gemeinschaft mit alten Freunden.
Finanzielle Unterstützung für häusliche Pflege
Häusliche Pflege durch Angehörige bedeutet eine hohe Flexibilität, da nahestehende Menschen viel direkter auf die Wünsche des Pflegebedürftigen eingehen können. Das schafft einen viel individuelleren Tagesablauf. Das gilt sogar dann, wenn häusliche Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst unterstützt wird.
Unterstützung gibt es auch von der Pflegeversicherung: Zwischen 316 und 901 Euro zahlt sie je nach Pflegegrad im Monat an Pflegegeld. Das Geld steht dem Pflegebedürftigen für den Fall zu, dass er sich die Leistungen selbst sucht und bezahlt. Er kann es also auch an einen pflegenden Angehörigen weitergeben.
Alternativ gibt es, je nach Pflegegrad, Geld für Pflegesachleistungen zwischen 724 und 2.095 Euro monatlich. Mit dem Geld zahlt der Pflegebedürftige für den ambulanten Dienst.
Demenz und schwere Pflegebedürftigkeit
Beim Modell der Pflege zu Hause ist die Belastung der Familie nicht zu unterschätzen. Nicht jedem Angehörigen oder engem Vertrauten ist es möglich, faktisch unbegrenzt die nötige Zeit zu investieren.
Dazu kommen zum Teil schwere physische und vor allem psychische Belastungen, die mit der Pflege Schwerkranker in Verbindung stehen. Dabei geht es nicht nur um die Körperkraft, die etwa eine pflegende Tochter aufbringen muss, um ihrem Vater oder Mutter aus dem Bett zu heben oder sie beim Gehen zu sichern. Auch mit den Folgen und Auswirkungen typischer Alterskrankheiten kommen selbst nahe Angehörige zum Teil nur schwer zurecht.
Ein Beispiel ist die Demenz. Die Krankheit verändert das Wesen des Betroffenen grundlegend. Langsam verschwinden die Erinnerungen, der betroffene Mensch praktisch aus seinem gewohnten Leben heraus. Das hat auch für die Angehörigen Konsequenzen.
Nicht mehr erkannt zu werden vom geliebten Menschen, seine zum Teil verletzenden Äußerungen, seine Sprunghaftigkeit können beim Pflegenden zu starken psychischen Belastungen führen. Unbeabsichtigte Handlungen werden als Kränkung persönlich genommen und zwischen zwei Menschen, die sich eigentlich nahestehen, bauen sich so schnell Spannungen auf. Bei schwerer Demenz ist eine Pflege zu Hause ohnehin kaum noch möglich.
Auf einen Blick: Vorteile der häuslichen Pflege
- Vertrautes zu Hause: Sicher und geborgen fühlen sich Menschen eigentlich nur in den eigenen vier Wänden. Hier haben sie alles, was sie für einen guten Lebensabend brauchen: Sicherheit, Vertrautheit und Geborgenheit.
- Persönliche Freiheit: Der Tagesablauf ist individuell. Selbst der regelmäßige Besuch durch einen ambulanten Pflegedienst bringt die selbst gestalteten Abläufe nur unwesentlich aus dem Takt. Das zu Hause bietet alles, was der Pflegebedürftige möchte: Essen und zu Bett gehen, wenn es passt, und die laut gestellte Lieblingssendung im Fernsehen.
- Akzeptable Kosten: Gute Pflege ist teuer. Das gilt für ambulante Dienste und für Heime im gleichen Maß. Werden jedoch die Versorgung und die Betreuung zum großen Teil von den Familienmitgliedern geleistet, hilft das beim Sparen.
- Kein ungeliebter Umzug: Ältere Menschen wollen sich oft nicht noch einmal auf etwas komplett Neues einlassen. Der Umzug in ein Heim ist für viele ein großes Problem. Brauchen Sie Pflege, schreckt Unerwartetes noch mehr. Die eigenen vier Wänden hat haben psychologisch einen positiven Aspekt bei der Genesung oder der Stabilisierung der Gesundheit.
- Sicheres Gefühl: Nicht aus der Wohnung oder dem Haus ausziehen zu müssen, verschafft Sicherheit. Das gilt umso mehr bei einem Handicap. Menschen mit Demenz hilft Altbekanntes, noch weitgehend ein selbstbestimmtes Leben zu führen – mit bekannten Gesichtern, Erinnerungsstücken aus schönen Zeiten und vertrauten Wegen in der Wohnung.
Auf einen Blick: Nachteile der häuslichen Pflege
Nachteile der Pflege zu Hause betreffen beide Seiten. Schwer werden kann die Betreuung für den Pflegebedürftigen genauso wie für den Pflegenden.
Probleme für den Pflegebedürftigen
- Hohe Abhängigkeit: Nicht jeder Mensch kann damit umgehen, auf die Hilfe eines anderen angewiesen. Sich von den eigenen Kindern waschen oder auf die Toilette helfen zu lassen, sind höchst intime Vorgänge, genau wie das Anreichen von Essen.
- Fehlende Hilfsmittel: Nicht jedes Pflegehilfsmittel ist sofort und in ausreichender Menge verfügbar. Das beginnt bei Einstecklaken, die Feuchtigkeit abweisen und endet beim Pflegebett oder dem Rollstuhl.
- Falsche Behandlungen: Nicht jeder Angehörige verfügt über das komplette Fachwissen. Das kann etwa die Prävention oder die Nachsorge von Stürzen betreffen. Fehlende Expertise kann die sachgerechte Pflege erschweren.
- Vereinsamung: Kann sich ein Patient nicht mehr selbst aus der Wohnung bewegen, führt das zu Einsamkeit, die eine Alterskrankheit noch verschlimmern kann.
Probleme für den Pflegenden
- Begrenzte Verfügbarkeit: Bei einigen Krankheiten ist ein Einsatz praktisch rund um die Uhr notwendig. Das lässt kaum persönlichen Freiraum.
- Gefährliche Überlastung: Auch Pflegepersonen brauchen Abstand. Zwar bietet die Pflegekasse in den Fällen zum Beispiel Kurzzeitpflege an. Psychische Folgen können sich aber in kurzer Zeit zu großen Problemen auswachsen.
- Finanzielle Einbußen: Viele Pflegepersonen können oft nur noch in Teilzeit arbeiten. Manchmal bleibt keine Zeit mehr für den Job. Obwohl die Pflegekasse Rentenbeiträge zahlt, stellen sich vor allem Frauen somit auch schlechter auch bei der Rente.
Die Pflege im Heim: eine Alternative
Gegenüber der häuslichen Pflege bieten Pflegeheime durchaus einige Vorteile. Für viele Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sind sie dennoch oft die letzte Alternative. Dabei ist gerade die medizinische Versorgung in einem Heim besser als zu Hause.
Vorteile einer stationären Pflege
- Fachpersonal vor Ort: In einem Heim gibt es immer Pflegekräfte, die sich im Umgang selbst mit schwer Pflegebedürftigen gut auskennen. Medizinisch geschultes Fachpersonal ist in einem Heim ebenfalls stets schnell greifbar. Personal für die Pflege wird nach einem bestimmten Schlüssel für den Dienst eingeteilt und kann in Notfällen zeitnah handeln.
- Pflegehilfsmittel in ausreichendem Maß: Ein Pflegeheim hat die meisten Dinge, die eine Pflege vereinfachen oder unterstützen, direkt vor Ort. Das sind neben Verbrauchsgütern wie Vorlagen oder Laken auch Gehhilfen, Rollstühle und moderne Pflegebetten.
- Entlastung für die Familie: Oft ist es Angehörigen zeitlich oder räumlich gar nicht möglich, für ein Mitglied der Familie in der häuslichen Umgebung zu sorgen. Beruflich starke Einbindung oder das Wohnen in verschiedenen Städten sind typische Gründe.
- Fördernde Gesellschaft: In einem Heim ist der Pflegebedürftige nicht allein. Die Gesellschaft von anderen Menschen fordert den Austausch und hilft bei der Kommunikation. Das unterstützt auch die geistige Leistung eines alten Menschen.
Nachteile einer stationären Pflege
- Höhere Kosten: Ein Pflegeheim ist teuer. Die Betreuung durch Fachkräfte bei Tag und Nacht kostet mehr Geld als die ambulante Unterstützung. Das von der Kasse gezahlte Pflegegeld reicht aber bei Weitem nicht für alle Kosten aus. Für ein gutes Heim kommt meist eine vierstellige Summe zusammen.
- Schwere Umgewöhnung: Das bisherige Leben aufzugeben und sich in eine neue Umgebung einzufinden, fällt den meisten Menschen schwer. Es entfallen geliebte Rituale, persönliche Erinnerungsstücke bleiben zurück, man weiß nicht, was das neue Umfeld bringt.
Weitere Optionen: Wohngemeinschaft und betreutes Wohnen
Eine Betreuung in einem mehr oder weniger abgesteckten und beschützenden Umfeld kann auch auf eine alternative Art erfolgen. Das Pflegestärkungsgesetz schafft die Möglichkeit, Pflege-Wohngemeinschaften zu bilden.
Von der Pflegeversicherung werden sie besonders gefördert und sind eine echte Alternative für die Pflege im eigenen zu Hause als eine Art Vorstufe für ein Heim. Die Bewohner einer solchen Gemeinschaft teilen sich auch die Kosten für einen ambulanten Pflegedienst und für andere Formen der Betreuung.
Auch das betreute Wohnen unterscheidet sich von der Versorgung in einem Pflegeheim. Sehr stark im Trend liegt das Wohnen in altersgerechten Bauten, mit allem Service, den ein alter Mensch braucht. Menschen leben hier auf Wunsch in eigener Häuslichkeit oder mit Menschen mit vergleichbaren Einschränkungen familiär zusammen. Nach Bedarf wird rund um die Uhr von ausgebildetem Pflegepersonal betreut.
Ein gutes Heim für die Pflege finden
Ist die Entscheidung für ein Heim gefallen, gilt es, eine gute Einrichtung zu finden. Dabei unterstützt zum Beispiel die gesetzliche Krankenkasse als ein erster Anlaufpunkt. Hier gibt es Listen mit Heimen in der unmittelbaren Nähe.
Bei den nächsten Schritten, der Besichtigung und der Auswahl, gilt es, auf einige Dinge zu achten:
- Gibt das Heim aussagekräftiges Infomaterial heraus?
- Werden alle Fragen des Pflegebedürftigen und seines Angehörigen ausführlich beantwortet?
- Nimmt sich der Verantwortliche ausreichend Zeit für Erklärungen?
- Kann man beim Besuch vor Ort selbst mit den Bewohnern sprechen?
- Wie sieht es mit der Sauberkeit aus?
- Darf man das Essen einmal ausprobieren?
- Welche Freizeitmöglichkeiten bietet das Heim?
- Wie gehen Personal und Bewohner miteinander um?
Fazit: Pflege zu Hause oder im Heim
Die Frage einer Pflege zu Hause oder im Heim kann sich für jeden stellen. Zwar ist die Pflegebedürftigkeit kein ehernes Gesetz – viele Menschen leben lange ohne entscheidende Einschränkungen. Dennoch sollte sich jeder frühzeitig Gedanken darüber machen und Beratungsangebote in Anspruch nehmen.
Ob eigenes Zuhause oder Heim – für beide Varianten gibt es Vor- und Nachteile. Wie sich jemand entscheidet, hängt sehr stark von den individuellen Gegebenheiten ab. Sie zu bewerten, verlangt auch Ehrlichkeit im Umgang miteinander. Nur wenn sich alle Seiten klar sind, was leistbar ist und was nicht, wo es Unterstützung gibt und was unter Umständen zu organisieren ist, kann eine gute Entscheidung getroffen werden.