Elternunterhalt: Was ist das und welche Vorgaben gibt es?
Die Kosten für einen Platz im Pflegeheim belaufen sich durchschnittlich auf 3.500 bis 4.000 Euro pro Monat. Teilweise übernimmt sie die Pflegeversicherung, teilweise müssen sie durch Rente und Erspartes abgedeckt werden. Falls das nicht ausreicht, aber die eigenen Kinder gut verdienen, entsteht ein Recht auf Elternunterhalt. Dann müssen die Kinder für den restlichen Eigenanteil zur Pflege aufkommen. Doch wie funktioniert Elternunterhalt und wann tritt der Fall ein?
Was ist Elternunterhalt?
Etwa 5 Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland, rund ein Fünftel von ihnen leben im Pflegeheim. Hier kostet ein Platz für einen Bewohner mit Pflegegrad 5 im Durchschnitt 3.650 Euro im Monat. Da die Pflegeversicherung einen Teil davon abdeckt, bleiben im Mittel etwa 2.180 Euro, die der Pflegebedürftige als Eigenanteil beisteuern muss – zum Beispiel durch seine monatliche Rente oder die Verwertung seines Vermögens. Ist kein Vermögen vorhanden und reicht die Rente nicht aus, übernimmt das Sozialamt die Zahlung. Diese Leistung heißt „Hilfe zur Pflege“.
Allerdings kann das Amt den Betrag unter bestimmten Umständen von den Kindern des Pflegebedürftigen zurückfordern. Denn wenn die Nachkömmlinge eine gewisse Einkommensgrenze überschreiten, sind sie verpflichtet, ihre pflegebedürftigen Eltern finanziell zu unterhalten. Der Elternunterhalt fließt dabei nicht direkt an die Eltern, sondern geht ans Sozialamt, das wiederum die Pflegekosten zahlt.
Unter welchen Umständen muss Elternunterhalt gezahlt werden?
Bis die erwachsenen Kinder von Senioren tatsächlich finanziell für ihre Eltern aufkommen müssen, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Die Eltern haben Anspruch auf „Hilfe zur Pflege“
Bevor das Sozialamt Hilfe zur Pflege leistet, müssen sämtliche finanzielle Töpfe des Pflegebedürftigen ausgeschöpft sein. Den ersten Grundstock bildet dabei zunächst einmal der Leistungszuschuss, den die Pflegekasse zum Eigenanteil für die Pflege- und Ausbildungskosten übernimmt.
Den restlichen Eigenanteil und variable Zusatzkosten muss der Pflegebedürftige durch Bezüge aus einer Zusatzversicherung abdecken und mit seiner Rente und seinem Vermögen bestreiten. Konkret bedeutet das: Geldanlagen, Aktien, Edelmetalle und Immobilien müssen verkauft werden, um den Aufenthalt im Pflegeheim zu finanzieren.
Auch Ehepartner stehen mit ihren Renteneinkünften und ihrem Vermögen füreinander ein und müssen die Pflege des jeweils anderen finanzieren. Wer Hilfe zur Pflege beantragt, darf als Einzelperson maximal 5.000 Euro und als Ehepaar maximal 10.000 Euro als eiserne Reserve besitzen. Einzige Ausnahme: Falls der Ehepartner weiterhin im gemeinsamen Eigenheim wohnt, fällt auch die Immobilie unter das sogenannte Schonvermögen.
2. Das Kind verdient mehr als 100.000 Euro
Das Sozialamt kann Kinder nur dann zum Elternunterhalt verpflichten, wenn ihre Einkünfte gewisse Grenzen überschreiten. Das Vermögen der Kinder wird dabei zunächst nicht berücksichtigt. Sie können durchaus mehrere Immobilien besitzen, ohne dass sie diese für die Pflegebedürftigkeit der Eltern verwerten müssen.
Elternunterhalt muss ein Kind nur dann zahlen, wenn es über ein Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro verfügt. Dabei ist das Gesamteinkommen gemeint, welches sich zum Beispiel aus einem Arbeitnehmergehalt, Mieteinkünften und Kapitalzinsen zusammensetzt.
Das Gesamteinkommen ermittelt das Sozialamt anhand des Einkommenssteuerbescheids. Falls mehrere Kinder eines Pflegebedürftigen mehr als 100.000 Euro Bruttoeinkommen pro Jahr haben, müssen sie anteilig für den Elternunterhalt aufkommen.
Hinweis: In der Regel geht das Sozialamt von einem Einkommen von unter 100.000 Euro aus und ermittelt die tatsächlichen Verhältnisse erst, wenn es einen Hinweis erhält.
Wie hoch fällt der Elternunterhalt aus?
Basis für die Berechnung des Elternunterhalts ist das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Kindes. Dieses ermittelt sich in vier Schritten:
1. Monatliches Nettoeinkommen berechnen
Alle Einkünfte des Jahres werden durch 12 Monate geteilt. Für Arbeitnehmer bilden die 12 Monate vor Beginn des Unterhaltsbedarfs die Berechnungsgrundlage, bei Selbstständigen ermittelt man das Durchschnittseinkommen der vergangenen drei bis fünf Jahre.
2. Abziehbare Aufwendungen subtrahieren
Bevor Kinder unterhaltspflichtig werden, dürfen sie vom Nettoeinkommen sämtliche berufsbedingte Kosten abziehen. Außerdem werden Kosten abgezogen für
- die allgemeine Krankenvorsorge,
- Darlehensverbindlichkeiten für Wohneigentum sowie
- Kosten der privaten Altersvorsorge in Höhe von maximal 5 Prozent des Bruttoeinkommens.
Für das Wohnen zur Miete zieht das Sozialamt monatlich pauschal 480 Euro vom Nettoeinkommen ab. Wer mehr zahlt, muss die Summe nachweisen, damit sie einkalkuliert werden kann. Schlussendlich müssen auch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Ex-Ehepartnern und eigenen Kindern subtrahiert werden, da sie Vorrang vor der Zahlung von Elternunterhalt haben.
3. Selbstbehalt abziehen
Nach der Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens wird der Selbstbehalt des Kindes berechnet, der von einer Unterhaltspflicht ausgenommen ist. Für Alleinstehende beträgt die Summe 2.000 Euro im Monat, Ehepaare haben Anspruch auf 3.600 Euro Selbstbehalt. Für die eigenen Kinder werden Freibeträge einkalkuliert, die sich nach der Düsseldorfer Tabelle richten.
Im Sinne des Angehörigenentlastungsgesetzes haben Familien wahrscheinlich Anrecht auf einen erhöhten Selbstbehalt, der bislang noch nicht durch Gerichtsurteile beziffert wurde. Fachleute veranschlagen hier eine Summe von bis zu 5.000 Euro im Monat.
4. Das unterhaltsrelevante Einkommen ermitteln
Das bereinigte Nettoeinkommen minus den Selbstbehalt ergibt das unterhaltsrelevante Einkommen. Wer beispielsweise pro Monat 9.000 Euro bereinigtes Nettoeinkommen zur Verfügung hat und als Ehepaar 3.600 Euro Selbstbehalt beansprucht, dem bleiben 5.400 Euro unterhaltsrelevantes Einkommen.
Von dieser Summe muss maximal 50 Prozent als Elternunterhalt an das Sozialamt zurückgezahlt werden, also 2.700 Euro. Entscheidend ist hier, wie hoch der zu finanzierende Eigenanteil des Pflegebedürftigen ausfällt. Ist er geringer, muss das unterhaltspflichtige Kind weniger zahlen. Ist er höher, übernimmt das Sozialamt den Rest.
Muss mein Kind sein Haus verkaufen, um Elternunterhalt zu zahlen?
Für den Elternunterhalt das Vermögen anknabbern – dieses Szenario tritt nur dann ein, wenn Kinder zwar ein Einkommen über 100.000 Euro erwirtschaften, aber den Elternunterhalt damit nicht tragen können. Wer weniger verdient, dessen Vermögen bleibt generell unangetastet. Aber auch Menschen mit mehr als 100.000 Euro Bruttoeinkommen können gewisse Teile ihres Vermögens als Schonvermögen von der Verwertung ausschließen.
Was zählt zum Schonvermögen des unterhaltspflichtigen Kindes?
Folgende Vermögenswerte bleiben durch Elternunterhalt unangetastet:
Das eigene selbst bewohnte Haus: Unterhaltspflichtige Kinder, die im Eigenheim leben, müssen die Immobilie nicht verkaufen, um den Elternunterhalt zu bestreiten. Allerdings wird die Immobilie zur Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens hinzugezogen.
Die ersparten Mietkosten werden dem Einkommen zugeschlagen, während Zinsen und Tilgung vom Nettoeinkommen subtrahiert werden dürfen. Zusätzlich dürfen Rücklagen, die zur Renovierung und Sanierung des Hauses dienen sollen, nicht als Vermögen angerechnet werden. Hierfür existieren keine gesetzlich festgesetzten Maximalsummen, doch gemäß Gerichtsurteil des OLG Düsseldorf können 160.000 Euro durchaus angemessen sein.
Sparen für das neue Auto: Wer für den Weg zur Arbeit auf ein Auto angewiesen ist, darf Rücklagen bilden, um sich Ersatz leisten zu können, falls das vorhandene Auto kaputtgeht. Selbständige ziehen im Sinne der Betriebskosten Abschreibungen ab, die das eigene Einkommen mindern.
Die eigene Altersvorsorge: Hier stehen unterhaltspflichtigen Kindern individuelle Freibeträge zu, je nachdem, wie viel sie verdienen und wie lange sie bereits im Berufsleben stehen. Die Formel geht von 5 Prozent des Jahresbruttoeinkommens aus und multipliziert diesen Betrag mit den bereits geleisteten Berufsjahren und einer Verzinsung von 4 Prozent pro Jahr.
Wer 100.000 Euro verdient und bereits 10 Jahre gearbeitet hat, darf laut dieser Rechnung 68.675 Euro gespart haben, die nicht zum verwertbaren Vermögen zählen. Auch eine Immobilie zur Kapitalanlage darf nicht verwertet werden, wenn die Mieteinkünfte nachweislich zur Bildung der Altersvorsorge genutzt werden.
Gibt es Ausnahmeregelungen beim Elternunterhalt?
Kinder müssen keinen Elternunterhalt zahlen, wenn die Eltern in früheren Jahren ihre Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Kind selbst grob vernachlässigt haben. Ein Kontaktabbruch seitens des Kindes oder eine Enterbung bis auf den Pflichtteil zählen jedoch laut Gerichtsurteil des BGH nicht als Gründe für den Ausfall des Elternunterhalts.
Darf ich zugunsten meines Kindes auf Elternunterhalt verzichten?
Elternunterhalt können die betroffenen Pflegebedürftigen nicht ablehnen. Der Grund: Ein solcher Verzicht würde die unterhaltspflichtigen Kinder begünstigen, während die Gesamtgesellschaft die Sozialleistungen für die Eltern tragen müsste.
Wie kann ich verhindern, dass meine Kinder unterhaltspflichtig werden?
Damit die eigenen Kinder erst gar nicht zur Finanzierung der eigenen Pflege herangezogen werden, ist es wichtig, die anfallenden Kosten möglichst selbst übernehmen zu können. Doch wie setzen sich Pflegeheimkosten eigentlich zusammen und wie kann man sie abdecken?
Pflegeheime: Es gibt durchaus Unterschiede bei den Kosten
Die Kosten eines Pflegeheims setzen sich in der Regel aus vier Bausteinen zusammen:
- Pflegekosten
- Ausbildungskosten
- Investitionskosten
- Kosten für Unterbringung und Verpflegung.
Für Pflege- und Ausbildungskosten müssen Pflegebedürftige einen fixen Eigenanteil aufbringen. Die anderen Posten müssen sie komplett übernehmen. Hier lässt sich auch am meisten sparen und vergleichen, denn sie unterscheiden sich von Einrichtung zu Einrichtung zum Teil erheblich.
Leistungszuschuss zum Eigenanteil
Seit dem 1. Januar 2022 beteiligt sich die Pflegekasse am Eigenanteil von Pflegeheimbewohnern – und zwar gestaffelt nach deren Zeit im Pflegeheim:
- Bewohner, die bis zu 12 Monate in der Einrichtung verbracht haben, erhalten 5 Prozent ihres Eigenanteils von der Kasse.
- Wer länger als ein Jahr im Pflegeheim lebt, bekommt 25 Prozent.
- Wer länger als zwei Jahre dort gepflegt wird, wird mit 45 Prozent des Eigenanteils bezuschusst.
- Heimbewohner, die länger als drei Jahre in der Einrichtung verbracht haben, erhalten den Spitzensatz von 70 Prozent.
Pflegezusatzversicherung abschließen: Eine sinnvolle Alternative?
Mit dem Abschluss einer Pflegezusatzversicherung können jüngere Menschen die Finanzierung einer eventuell nötigen Pflegeleistung im Alter verbessern. Experten empfehlen, etwa um das 50. Lebensjahr herum über den Abschluss einer solchen Versicherung zu entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt gibt es genug Anhaltspunkte für die familiäre und finanzielle Situation, die den Versicherten im Alter erwartet.
Eine Pflegezusatzversicherung kostet zwischen 60 und 140 Euro monatlich, wobei die staatlich geförderten Produkte durchschnittlich schlechtere Leistung bieten, aber keinen Interessenten aufgrund von Vorerkrankungen ablehnen dürfen.
Ein Problem: Die Versicherungsbeiträge steigen während der lebenslangen Versicherungszeit stetig – doch ob die Leistung später überhaupt in Anspruch genommen wird, ist ungewiss.
Aus diesem Grund ist es so wichtig, vor dem Abschluss zu prüfen, inwieweit die Inanspruchnahme wahrscheinlich ist und welche Alternativen sich für die Finanzierung anbieten. So besteht beispielsweise auch die Möglichkeit, selbst Kapital anzusparen.
Fazit: Elternunterhalt ist eine komplizierte Angelegenheit
Wenn ein Mensch ins Pflegeheim umzieht, ist das für Ehepartner und Kinder eine belastende Situation, die auch finanziell anstrengend sein kann.
Wichtig: Sowohl der Ehepartner als auch die gutverdienenden Kinder dürfen weiterhin im Eigenheim leben, ohne dass die Immobilie für die Pflegeheimkosten verwertet werden muss. Kinder von Pflegebedürftigen werden erst dann zum Elternunterhalt verpflichtet, wenn die Eltern auf staatliche Hilfe angewiesen sind und die Kinder mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen. Doch selbst dann stehen den unterhaltspflichtigen Kindern Schonvermögen, Abzüge und Freibeträge zu, damit sie ihr eigenes Leben weiterhin wie gewohnt bestreiten können.