Gewalt in der Pflege
Über die eigenen Grenzen und die der anderen

Gewalt in der Pflege hat viele Gesichter. Sei es das verletzende Wort, der ruppige Umgang oder Zwang – oftmals sind sich die Menschen ihrer Rücksichtslosigkeit nicht einmal bewusst. Aufklärung hilft und ein bewusster Umgang mit Grauzonen. Denn die Grenzen zwischen Humor und Spott, Motivation und Zwang, Hilfestellung und Übergriffigkeit sind fließend.
Um es vorwegzunehmen: Gewalt geht nicht nur von Pflegern oder pflegenden Angehörigen aus. Mitunter sind es pflegebedürftige Menschen selbst, die Gewalt gegen andere richten – beispielsweise gegen andere Bewohner eines Heims oder auch das Personal.
1. Gewalt gegen Pflegebedürftige – Aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit werden gerade ältere Menschen häufig Opfer von Gewalt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt Gewalt gegen Ältere wie folgt: „Unter Gewalt gegen ältere Menschen versteht man eine einmalige oder wiederholte Handlung oder das Unterlassen einer angemessenen Reaktion im Rahmen einer Vertrauensbeziehung, wodurch einer älteren Person Schaden oder Leid zugefügt wird.“
2. Gewalt gegen Pflegende – Auch andersherum kommt es immer wieder zu Formen der Gewalt. Neben abfälligen Worten oder Gesten berichten Pflegende von körperlichen Übergriffen oder auch sexueller Belästigung.
3. Gewalt unter Pflegebedürftigen – All diese Ausprägungen von Gewalt finden sich natürlich auch in der stationären Pflege zwischen den Bewohnenern: verbale Attacken, Ausgrenzung oder körperlich übergriffige Handlungen.
Im Folgenden soll es vorrangig um Formen der Gewalt pflegender Angehörige gegenüber älteren Menschen gehen, um Möglichkeiten, diese zu erkennen und den Teufelskreis zu durchbrechen.
Ausprägungen von Gewalt in der Pflege
Die Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) unterscheidet insgesamt fünf verschiedene Formen der Gewalt in der Pflege. Sie zählt dazu explizit Handlungen wie unbequemes Hinsetzen oder -legen (körperliche Gewalt), Missachtung (psychische Gewalt), unzureichende Pflege (Vernachlässigung), Überreden zu Geldgeschenken (finanzielle Ausnutzung) oder sexuelle Andeutungen (intime Übergriffe).
Nicht alles, was in der Pflege als Gewalt verstanden wird, ist tatsächlich rechtlich verboten und was als Gewalt empfunden wird, hängt stark von der jeweiligen Sozialisierung ab. Um so wichtiger ist es, im Umgang mit Hilfbedürftigen die individuellen Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren.
Überlastung als eine wesentliche Ursache für Gewalt in der Pflege
Ein wesentlicher Beitrag liegt in der Beachtung der eigenen Grenzen. Hören Sie auf innere Warnsignale und nehmen Sie diese ernst. Innere Unruhe, Gereiztheit, Erschöpfung oder gehäufte Krankheitsausfälle können Indizien für eine Überlastung sein.
Testen Sie Ihre Belastung
Das Internetportal pflegen-und-leben.de hat einen kurzen Online-Fragenbogen entwickelt, der eine genauere Einschätzung der eigenen Belastungssituation zulässt und weiterführende Hilfestellung bietet. Beantworten Sie lediglich 12 Fragen für ein erstes Ergebnis.
Wenn Sie regelmäßig an Ihre Grenzen stoßen, sollten Sie externe Beratung miteinbeziehen. Als pflegender Angehöriger sind beispielsweise die kommunalen Pflegestützpunkte eine erste Anlaufstelle, als professionell Pflegender der eigene Arbeitgeber. Finden Sie Wege, wie Sie Teile der Pflege an andere abgeben können. Nutzen Sie Schulungsangebote wie zum Beispiel die für Angehörige kostenlosen Forbildungen der Pflegekassen oder schließen Sie sich mit anderen Pflegenden, dem eigenen Pflegeteam oder in Selbsthilfegruppen, zusammen.
Einer der wichtigsten Faktoren in der Pflege ist die Zeit. Wenn es Ihnen gelingt, den zeitlichen Druck aus der täglichen Arbeit zu nehmen, eliminieren Sie einen entscheidenden Treiber für Gewalt in der Pflege und die Achtsamkeit steigt.