Wenn der Enkelwunsch unerfüllt bleibt: Alternativen von Wahlenkel bis Verwandtenadoption
Für viele Menschen sind Enkel die Krönung des „Goldenen Lebensalters“. Schließlich hat man im Ruhestand erstmals die Gelegenheit, die Zeit mit den Kindern stressfrei zu genießen. Doch manchmal hat das Leben einen anderen Plan und der Enkelwunsch bleibt unerfüllt. Anstatt in die Sinnkrise zu stürzen, haben Senioren durchaus andere Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen. Wir geben Ihnen Tipps, wie Sie über das Fehlen leiblicher Enkel hinwegkommen und wie Sie am Ende das Beste aus der Situation machen.
Was ein unerfüllter Enkelwunsch auslösen kann
Ein Enkelwunsch kann sich ähnlich äußern wie ein Kinderwunsch: Wenn die eigenen Kinder berufstätig und vielleicht sogar fest liiert sind, empfinden viele Eltern den Wunsch nach Enkelkindern.
Für viele ältere Berufstätige markiert auch der eigene Renteneintritt und die neu gewonnene Zeit einen Wendepunkt: Jetzt hätten sie eigentlich Zeit, regelmäßig etwas mit den Enkeln zu unternehmen und bei ihrer Betreuung zu helfen. Wenn es in dieser Lebenssituation keine Anzeichen dafür gibt, dass die eigenen Kinder in naher Zukunft Eltern werden, kann das problematische Gefühle und Konflikte anstoßen. Typisch sind diese Muster:
Die Frage nach dem Lebenssinn
Prinzipiell verhält es sich mit dem unerfüllten Enkelwunsch ganz ähnlich wie mit einem unerfüllten Kinderwunsch. Die Betroffenen müssen von ihrer Vorstellung des Lebensverlaufs Abschied nehmen und sich neu orientieren. Wer fest damit gerechnet hatte, ab Mitte 50 noch einmal Windeln zu wechseln, Kleinkinder zu hüten, Kindergeburtstage und Einschulungen zu erleben, der fällt ohne Enkel zunächst in ein emotionales Loch.
Studien zeigen, dass die Trauer als Hauptsymptom eine deutlich reduzierte Lebenszufriedenheit und Lebensqualität nach sich zieht. Doch anders als krisenhafte Erlebnisse, hat das Fehlen eines Ereignisses, etwa die Geburt des Enkelkindes, chronische und langfristige Auswirkungen. Das liegt daran, dass dieses Fehlen oft in lange Jahre der Hoffnung und Enttäuschung eingebettet ist.
Wichtig: Nicht-Großeltern sollten ein Bewusstsein für ihre psychische Belastung bilden und sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Hier hilft nur, aktiv Abschied zu nehmen von der klassischen Großeltern-Vision und andere Lebensentscheidungen zu treffen. Diese Strategie bewahrt das Gefühl von Selbstwirksamkeit und beugt Resignation und Depressionen vor.
Konflikte mit den Kindern
Von „Wann ist es denn bei euch endlich so weit?“ bis „Jetzt sollte aber bald das erste Kind kommen – ihr seid ja auch nicht mehr Mitte 20“ – viele aus der Baby-Boomer-Generation weisen die eigenen Kinder relativ unsanft auf ihren Enkelwunsch hin. Für sie ist das ganz selbstverständlich, immerhin haben sie den Werdegang zur Familie selbst beschritten. Berufsausbildung, Heirat, die Frau versorgt die Kinder – so lief es vor 30 Jahren in den meisten deutschen Haushalten.
Doch die Zeiten ändern sich und damit wandeln sich auch die Ansprüche an junge Eltern. Kaum ein Paar kann es sich heute finanziell leisten, dass einer von beiden für die Kinder zuhause bleibt. Zudem stehen Frauen vor der Herausforderung, den Ansprüchen der Arbeitswelt und gleichzeitig dem mutmaßlichen Idealbild der ständig präsenten Mutter zu entsprechen.
Viele Frauen entscheiden sich deshalb aktiv gegen das Kinderkriegen, um den Konflikt für sich zu lösen. Zudem gibt es viele Paare, bei denen nur einer Kinder möchte, sowie solche, bei denen sich der Kinderwunsch einfach nicht erfüllt. Das kann unterschiedliche medizinische Ursachen haben.
Aus diesem Grund kann die offene Forderung nach Enkelkindern in vielerlei Hinsicht einen Konflikt mit den Kindern auslösen. Versetzen Sie sich daher in die Lage Ihrer Kinder.
Lassen Sie sich von ihnen die Konflikte um den Kinderwunsch erklären und urteilen Sie nicht. Falls sich Ihre Kinder ganz bewusst gegen Nachwuchs entschieden haben, um andere Aspekte ihres Lebens entfalten zu können, ist das ihr gutes Recht und sollte respektiert werden. Bleiben Sie im Gespräch rund um den Kinderwunsch Ihrer Kinder in jedem Fall sensibel.
Strategien bei unerfülltem Enkelwunsch: Das können anstrebende Großeltern tun
In manchen Familienkonstellationen steht irgendwann absolut fest, dass es keine Enkel geben wird. In diesem Fall sollten Sie vielleicht eine der folgenden Optionen in Erwägung ziehen:
Wahlenkel: Genug Kinder freuen sich über Großeltern
In Familienstrukturen wird man nicht nur geboren, man kann sie auch wählen. Denn manchmal harmonieren Charaktere, die sich freundschaftlich gefunden haben, besser als Blutsverwandte.
Auf diese Tatsache setzen auch Projekte, die sich um Wahlenkel und Wahlgroßeltern drehen. Hier vermitteln Vereine oder kirchliche Stellen enkellose Senioren mit Kindern, die keine oder nicht viel von den eigenen Großeltern haben. Wie die gemeinsame Zeit verbracht wird, hängt ganz von den individuellen Vorlieben ab: ein Besuch im Zoo, kompetente Hilfe bei den Mathehausaufgaben oder einfach ein Cafébesuch, bei dem das Kind aus seiner Welt berichten kann.
Hier profitieren beide Parteien. Die Kinder gewinnen eine vertrauensvolle Bezugsperson und die Wahlgroßeltern bleiben durch ihre Wunschenkel am Puls der Zeit. Wichtig: Wunschgroßeltern ersetzen nicht den Babysitter. Sie decken nicht regelmäßige Betreuungszeiten ab, sondern vereinbaren gemeinsame Unternehmungen in einem Rhythmus, der für beide Seiten stimmt.
Verwandtenadoption
Zuweilen ergeben sich Konstellationen, die an eine Großeltern-Kinder-Enkel-Beziehung erinnern, zwischen Personen, die nicht oder anders verwandt sind. So könnte eine Tante beispielsweise ein besonders enges Verhältnis zu ihrem Neffen und dessen kleinen Kindern pflegen, die sie wie die eigenen Enkel ansieht. Da die gesetzliche Erbfolge den Wahl-Enkeln jedoch nicht dieselbe Stellung zuweist wie leiblichen Enkeln, ziehen manche Wahl-Großeltern eine Adoption in Erwägung.
Was müssen Sie zur Adoption wissen?
Vorweg: Als Ihren Enkel können Sie keine Person adoptieren. Der einzige Weg, eine rechtliche Großeltern-Enkel-Beziehung aufzubauen, führt über die Erwachsenen-Adoption eines Elternteils. In unserem Beispiel könnte demnach die Tante ihren erwachsenen Neffen adoptieren, wobei dessen Kinder automatisch ihre Enkelkinder würden.
Der steuerliche Vorteil: Ihr Neffe hätte bei einer Erbschaft lediglich einen Freibetrag von 20.000 Euro, bevor die Erbschaftssteuer fällig würde. Als Adoptivsohn stünden ihm dagegen 400.000 Euro zu.
Wichtig: Damit die Erwachsenen-Adoption nicht steuerrechtlich ausgenutzt wird, besteht der Staat darauf, dass zwischen Adoptierenden und Adoptierten tatsächlich eine familiäre Bindung besteht, selbst wenn sie nicht blutsverwandt sind.
Zudem gibt es einen weiteren Haken: Falls Sie bereits eigene Kinder haben, müssen die einer Adoption zustimmen. Schließlich reduziert sich damit ihr eigener Erbteil. Auch der Ehepartner des Adoptierten muss den Schritt mittragen.
Das Verwandtschaftsverhältnis ändert sich nach der Adoption übrigens nur in einer Linie: Die Adoptierenden bekommen ein erwachsenes Adoptiv-Kind, Enkel und Urenkel, während der Rest der Familie (leibliche Kinder, Geschwister) mit dem Adoptivkind und seinem Nachwuchs nicht verwandt sind.
Wohnen im Mehrgenerationenhaushalt
Die Kinder wohnen weit entfernt, Enkel sind nicht in Sicht – in dieser Situation empfinden einige Senioren ihre Lebenssituation als isoliert. Wer noch im mittlerweile leeren und zu großen Einfamilienhaus lebt, will sich vielleicht wohntechnisch umorientieren und aus der dörflichen Umgebung zurück in die Stadt ziehen. Hier können Mehrgenerationenhäuser eine Option darstellen.
Die Häuser sind für eine Mischung von Bewohnern aller Altersklassen konzipiert, die ihr Leben gegenseitig bereichern können. Dabei stehen der lockere Kontakt und die Alltagshilfe im Mittelpunkt: Während Ruheständler Zeit haben, ab und an das Nachbarskind zu betreuen, erhalten sie von den jüngeren Mitbewohnern Hilfe bei kleinen Reparaturen oder bekommen vom Nachbarskind Nachhilfe in Bezug auf die Smartphone-Nutzung.
Ein Mehrgenerationenhaus muss übrigens kein Haus in Form einer Wohngemeinschaft (WG) sein. Häufig handelt es sich um einen ganzen Wohnungskomplex, in dem jede Partei ihre eigene Wohnung bewohnt und es darüber hinaus viele Gemeinschaftsräume gibt. Ein Mehrgenerationenhaus in Ihrer Nähe können Sie über die Suchfunktion des Bundesfamilienministeriums finden.
Aktiv in der Gesellschaft bleiben
Wer sich im Ruhestand fühlt wie auf dem Abstellgleis, hat manchmal das Gefühl, dass ein Enkel zur Sinnstiftung beitragen würde. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, wie Sie gesellschaftlich aktiv bleiben, ohne leiblichen Familiennachwuchs zu erziehen – zum Beispiel durch ehrenamtliches Engagement.
Diese wichtige Säule unserer Gesellschaft tragen immerhin knapp 16 Millionen Bundesbürger. Dabei sind die Tätigkeitsfelder vielfältig: Von der Kinder- und Jugendarbeit über Flüchtlingshilfe bis hin zur Freiwilligen Feuerwehr, Sportvereinen, Chören, Natur-, Umwelt- und Katastrophenschutz.
Falls Sie nicht wissen, was zu Ihnen passt: In den größeren Städten finden regelmäßig Ehrenamtsmessen statt, auf denen Organisationen ihre Arbeit präsentieren – ähnlich wie auf einer Jobbörse.
Apropos Job: Falls Sie sich keine Arbeit abseits Ihres ehemaligen Berufsfeldes vorstellen können, dann lassen Sie sich doch im Senior Experten Service registrieren. Fach- und Führungskräfte im Ruhestand können im Rahmen dieses Programmes der Bundesregierung ihr Expertenwissen in Schwellen- und Entwicklungsländern weitergeben. Wer nicht auf Weltreise gehen will, findet stattdessen lokale Programme, in denen Ruheständler beispielsweise Jungunternehmer ihrer Region beraten.
Leben, wie es Spaß macht
Enkel zu haben, kann auch manchmal lästig sein. Immerhin verlassen sich die eigenen Kinder oft voll darauf, die Kleinen immer bei den Großeltern unterbringen zu können, wenn ihr Terminplan es erfordert.
Als enkellose Ruheständler dürfen Sie sich hingegen ganz auf Ihr eigenes Leben konzentrieren – und das hat viel zu bieten. Jetzt haben Sie endlich Zeit für Reisen, ausgefallene Hobbies oder größere Umbauprojekte am Haus. Wer will, legt sich ein Wohnmobil zu, ein Theater-Abo oder einen Hund.
Vielleicht eröffnen Sie im ehemaligen Kinderzimmer Ihrer Kinder eine Airbnb-Unterkunft oder planen eine Kreuzfahrt. Das Wichtigste: Da die eigenen Kinder erwachsen sind, kann die Generation 60Plus ihre Spontanität genießen, ohne Rücksicht nehmen zu müssen. Dieses Lebensgefühl kann dem dritten Lebensalter ebenso einen Sinn geben.
Fazit: Ein Enkelwunsch muss nicht unerfüllt bleiben
Dass das Rentenalter ohne Enkel unerfüllt bleibt, ist ein Klischee. Mehr als je zuvor, prägt das Leben ganz individuelle Biografien und unkonventionelle familiäre Patchwork-Konstellationen. Falls Ihnen keine leiblichen Enkel beschieden sind, können Sie sich dennoch im Rahmen eines Ehrenamtes oder einer Wunschenkel-Beziehung um Kinder kümmern. Oder Sie nutzen Ihre Freiheit für die Verwirklichung eines ganz anderen Lebenstraums, den Sie jetzt nicht mehr zurückstellen müssen.